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Der steinerne Engel

Titel: Der steinerne Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
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Einsatz.«
    Das stimmte sogar. Riker erinnerte sich noch genau an den Tag vor vier Jahren, als Mallory, damals noch eine blutige Anfängerin, bei einem Gang durch die Asservatenkammer das Ding eingesteckt hatte. Sie hatte schon immer eine Kanone besitzen wollen, die größere Wunden riss als ihre Dienstwaffe, ein Revolver Kaliber 0.38. »Ein ungelöster Fall.« Und das war gelogen. Die Akten waren geschlossen, seit Räuber und Opfer bei einer Schießerei in einem Delikatessengeschäft ums Leben gekommen waren.
    Der Sheriff wiegte bedenklich den Kopf. »Wenn Ihr Mord fünfzehn Jahre zurückliegt, Riker, kann es nicht meine Gefangene gewesen sein. Damals war sie höchstens neun oder zehn. Dass ein kleines Mädchen mit einem Revolver ihre Mitmenschen über den Haufen schießt, ist wohl nicht sehr wahrscheinlich.«
    »Nein, natürlich nicht«, bestätigte Riker, obgleich er seiner Sache da gar nicht so sicher war. Er sah Mallory als Zehnjährige vor sich, als er sie noch Kathy hatte nennen dürfen, und konnte sie sich durchaus mit einer Kanone in der Hand vorstellen. Im Lauf der Zeit allerdings hatten Inspector Markowitz und seine Frau ihrer Pflegetochter die schlimmsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit abgewöhnt. »Ich würde gern mit Ihrer Gefangenen sprechen und sie fragen, woher sie den Revolver hat.«
    »Und natürlich möchten sie auch die Waffe zurückhaben. Das bedeutet jede Menge Papierkram.«
    »Die New Yorker Polizei möchte kein Aufsehen, Sheriff. Keine Computerdateien, keine Telefongespräche, nichts Schriftliches. Möglich, dass der Mord von damals in die Zuständigkeit des FBI fällt, und wenn die Jungs das spitzkriegen, fallen sie scharenweise in Dayborn ein und bringen gleich einen Haftbefehl für Ihre Gefangene mit. Worauf Sie bestimmt ebenso wenig Wert legen wie ich.«
    Damit hatte er ins Schwarze getroffen. Die Typen vom FBI waren nirgends beliebt. Er allerdings war ihnen noch einen Gefallen schuldig, weil sie Mallorys Fingerabdrücke zurückgehalten hatten, und fragte sich etwas beunruhigt, was sie wohl als Gegenleistung verlangen würden.
    »Ich kann Ihnen nicht helfen, Riker.«
    »Sie können nicht, oder wollen Sie nicht?«
    »Sie sind ein Freund deutlicher Worte, wie? Mir ist durchaus klar, dass Sie ein gewisses Interesse …«
    »Heben Sie sich das Gesabber für Ihre Touristen auf.« Riker beugte sich vor und drückte die Zigarette im Aschenbecher aus. »Ein gewisses Interesse? Das können Sie wohl annehmen! Und ich bin nicht Ihr Dorftrottel.« Er stand auf und tat, als wollte er das Zimmer verlassen. »Sie rücken also die Waffe nicht raus? Auch gut. Wenn Sie mich ärgern, geb ich den Feds höchstpersönlich einen Tipp. Oder trauen Sie mir das nicht zu?«
    Der Sheriff stieß lächelnd den Rauch aus. »Die Gefangene ist über alle Berge. Samt Revolver. Trinken wir einen zusammen, Riker?«
    »Hab nichts dagegen.«
    Deputy Lilith Beaudare wartete, bis der Sheriff weggefahren war. Tom Jessop hatte allein am Steuer gesessen, demnach war der Mann aus New York noch im Dayborn Bar and Grill.
    Sie überquerte die schmale Nebenstraße und sah durchs Fenster. Der Raum war voller Männer, und weit und breit kein weibliches Wesen zu sehen. Solche Männerdomänen gab es also immer noch! Wahrscheinlich war ihr Vater deshalb so gern hierher gegangen. Wenn ihre Mutter gefragt hatte, ob er es denn nötig habe, in so einer Kaschemme zu trinken, hatte er fast schuldbewusst gelächelt. Seine Frau und ihre Geschlechtsgenossinnen habe keinen Fuß in dieses Lokal gesetzt.
    Als Lilith eintrat, wurde es still im Raum. Die Männer drehten sich um und musterten sie – ausgiebig und ohne etwas auszulassen. Sie gehörte nicht hierher, das wusste sie, und die Männer wussten es auch.
    Dann nahmen die Männer ihre unterbrochenen Gespräche wieder auf, Bestecke klapperten, Gläser klirrten.
    Guy Beaudares schönste Geschichten hatten hier ihren Ursprung. Lilith sah die Bar zum ersten Mal von innen, hätte sie aber jederzeit in allen Einzelheiten beschreiben können – bis hin zu dem Aquarium hinter dem Tresen, den Sägespänen und den Erdnussschalen auf dem Boden. Es roch nach Schweiß, Tabak und Bier.
    Die Musicbox spielte einen Cajun-Song mit Fiedelbegleitung, und unwillkürlich nahm ihr Körper den schwungvollen Rhythmus auf, sodass die Männer aufsahen und ihr mit neugierigen, starren Blicken folgten. Sie wusste, was jeder Einzelne dieser Kerle dachte und dass sie in ihren Augen nackt und wehrlos war.
    Sie suchte nach

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