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Der steinerne Kreis

Der steinerne Kreis

Titel: Der steinerne Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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geben.
    Dennoch setzten sich seine Worte in ihrem Bewusstsein fest: »Die Akupunktur ist Bestandteil der traditionellen chinesischen Medizin. Ein jahrtausendealtes Heilverfahren, das nicht auf ideologischen Überzeugungen, sondern auf Resultaten beruht. Es ist zweifellos die empirischste aller Therapiemethoden, denn bisher konnte noch niemand genau erklären, weshalb sie so wirkungsvoll ist. Die Akupunktur wirkt direkt auf die Leitungsbahnen unserer Lebensenergie, die wir Meridiane nennen. Madame, ich beschwöre Sie, vertrauen Sie mir: Ich kann den Prozess, den das Hirntrauma bei Ihrem Sohn ausgelöst hat, stoppen. Ich kann dem lebensgefährlichen Blutandrang Einhalt gebieten.«
    Diane betrachtete Luciens Körper, die winzige Gestalt unter Mullbinden, Gips und Kabeln: Er schien wie zermalmt, gesteuert von einer feindseligen Maschinerie – schon jetzt begraben in einem komplizierten, futuristischen Sarkophag.
    Van Kaen redete unterdessen weiter auf sie ein. »Die Zeit drängt«, sagte er. »Wenn Sie nicht mir Ihr Vertrauen schenken, vertrauen Sie wenigstens dem menschlichen Körper.« Er richtete sich auf und drehte sich zu Lucien um. »Verweigern Sie ihm keine Chance. Sie wissen ja nicht, ob er nicht doch darauf ansprechen wird.«
    Diane fuhr sich durch die schweißnassen Haare. Ihre Orientierungspunkte, ihre Gewissheiten zerbarsten wie Kristallglas unter der Wirkung eines heimtückischen Energiestroms.
    Ein heiserer Laut ertönte. Diane brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, dass es ihre eigene Stimme war. »Verdammt, dann tun Sie’s eben. Versuchen Sie’s. Holen Sie ihn ins Leben zurück!«
     

 
     
KAPITEL 12
     
    Beim ersten Läuten des Telefons begriff Diane, dass sie träumte. Sie sah den deutschen Arzt die Decke zurückschlagen und Luciens Verbände abnehmen. Er steckte die Kabel aus, entfernte die Elektroden, zog den Arm aus der Gipsmanschette. Das Kind war jetzt nackt, nur noch durch den Kopfverband und die Infusionskanüle mit der westlichen Medizin verbunden.
    Beim zweiten Läuten wachte sie auf.
    In der Stille nach dem elektronischen Schrillen überkam sie eine jähe Hellsicht. Ihr Traum war kein Traum. Jedenfalls hatte er einen sehr realen Kern. Ganz deutlich sah sie die Gestalt des Arztes Rolf van Kaen, der Luciens Gliedmaßen betastete, massierte, bestrich. Mit angespannter und aufmerksamer Miene beugte er sich über das Kind. In diesem Moment hatte Diane das unabweisliche Gefühl, dass der Akupunkteur den schmächtigen bleichen Körper »las«. Er entzifferte ihn, als verfügte er über einen geheimen Schlüssel zum Verständnis, den die anderen medizinischen Verfahren nicht besaßen. Es begann ein stummes Zwiegespräch zwischen dem weißhaarigen Riesen und dem bewusstlosen kleinen Jungen, der dem Tod ganz nahe war, aber anscheinend noch imstande, einem Eingeweihten seine Geheimnisse zu verraten.
    Van Kaen legte sich seine Nadeln zurecht und verteilte sie auf Luciens Haut. Als er sie eine nach der anderen in den Oberkörper, die Arme und Beine des Kindes stach, schienen ihre Spitzen aufzuflammen, als würden sie vom grünen Licht des Überwachungsmonitors über dem Bett genährt. Vom Fußende aus sah Diane gebannt zu. Dieser so jämmerliche, schwache, leichenblasse Körper, gespickt mit Nadeln, die in der gläsernen Dunkelheit wie Glühwürmchen leuchteten …
    Es läutete zum dritten Mal.
    Im Halbdunkel erkannte Diane die Kunstdrucke, die sie in ihrem Schlafzimmer aufgehängt hatte: die pastellfarbenen Streifenkonstruktionen von Paul Klee, die bunteren geometrischen Formen von Piet Mondrian. Sie drehte den Kopf zum Nachttisch. Der Wecker zeigte 03:44. Mit Macht kehrte die Gewissheit zurück. Fünf Stunden zuvor hatte ein geheimnisvoller Arzt mit ihrem Sohn eine Akupunkturbehandlung durchgeführt. Ehe er verschwand, hatte gesagt: »Das war die erste Phase. Ich komme wieder. Dieses Kind muss leben, verstehen Sie?«
    Es läutete zum vierten Mal.
    Diane tastete nach dem Hörer und hob ab.
    »Hallo?«
    »Madame Thiberge?«
    Sie erkannte die Stimme einer Krankenschwester. Madame Ferrer.
    »Professor Daguerre hat mich gebeten, Sie anzurufen«, sagte die Schwester.
    Ihr Ton war vollkommen neutral, doch Diane nahm das kurze Zögern wahr, und sie stöhnte. »Es ist vorbei, ja?«, fragte sie.
    Die Schwester antwortete nicht sofort; dann sagte sie: »Im Gegenteil, Madame. Es gibt Anzeichen einer Remission.«
    Diane spürte eine große und mächtige Liebe in sich aufwallen.
    »Einen Hinweis auf ein

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