Der Steinwandler pyramiden2
war unmöglich für uns, nichts von der Pyramide zu bemerken. Wir leben hier einigermaßen abgeschieden, aber wir halten Verbindung zu den umliegenden Ländern. Wir haben die vergangenen zwei Jahrhunderte zugesehen, wie die Pyramide wuchs. Die letzten achtzig haben wir gewußt, daß damit etwas auf fürchterliche Weise nicht in Ordnung war.
Etwas Finsteres, aber wir konnten nicht erkennen, was es war.
Erst in den vergangenen Monaten haben wir von den Soulenai erfahren, daß die Pyramide ihre Macht durch eine Verbindung mit dem Tal bekommen sollte.«
»Werdet ihr uns erklären, was es mit dem Tal auf sich hat?« wollte ich wissen.
»Aber ja. Ihr werdet über das Tal Bescheid wissen müssen, und eines Tages werdet ihr selbst hineinsehen, aber das wird erst viel später sein, nachdem ihr den Hauptteil eurer Ausbildung absolviert habt. Das Tal wurde zur gleichen Zeit erschaffen wie das Universum, in dem wir leben; es existiert daneben, wenn auch in einer anderen Dimension. Es ist ein Ort, der Dunkelheit ansammelt, so wie das Universum Sterne und Licht sammelt.«
»Ich bin einst Magier gewesen«, sagte Boaz, »das wißt ihr.«
Die Weisen nickten ernst.
»Die Magier glaubten, daß das Tal die Macht der Schöpfung enthielt. Haben wir uns geirrt?«
»Nein, eigentlich nicht«, sagte Solvadale. »Das Tal ist ein eigentümlicher Ort. Auch wenn es zur gleichen Zeit wie das Universum entstand, blieb es viel ›neuer‹, viel lebendiger. Es ist irgendwie kleiner, kompakter – ich kann es nicht besser erklären. Und seine Macht ist der sehr nahe, die die Schöpfung hervorgebracht hat. Die Schöpfungsmacht ergießt sich sehr schwach durch unser physisches Universum; im Tal ist sie weitaus konzentrierter… zugänglicher. Beantwortet das deine Frage, Boaz?«
Er nickte, und Solvadale fuhr fort.
»In den Jahrtausenden seit der Schöpfung hat das Tal die Dunkelheit in sich gesammelt. In ihm hat sich Leben gebildet. Dunkles Leben.«
»Nzame«, flüsterte Yaqob.
»Ja, Nzame ist eine seiner Gestaltwerdungen. Als wir erfuhren, daß die Pyramide am Ende die Macht des Tals nutzen würde, da begriffen wir die Art der Bedrohung. Wir haben das befürchtet, was dann auch tatsächlich eingetreten ist. Etwas Ungeheuerliches ist aus dem Tal in diese Welt hinübergewechselt.«
»Aber das hat im Moment nichts mit unserer Geschichte zu tun«, wandte Xhosm ein. »Vor vierzig Jahren entschieden wir, zu tun, was uns möglich war, obwohl wir uns nicht über die genaue Natur der Bedrohung klar waren. Wir setzten uns mit Avaldamon in Verbindung.«
»Avaldamon war der letzte uns bekannte Elementenmeister«, sagte Solvadale. »Ich werde gleich erzählen, was das ist, aber hört jetzt erst einmal zu. Er besuchte uns hier, eignete sich unser Wissen an und hörte sich unsere Befürchtungen an, und er schlug dann einen Plan vor.«
»Nein«, flüsterte Boaz, und ich nahm seine Hand. Oh nein, bestimmt nicht. Niemals.
»Avaldamon«, fuhr Solvadale gnadenlos fort, »behauptete, die Pyramide würde so mächtig sein, daß man jemanden brauchen würde, der über die Fertigkeiten der
Elementenbeschwörung und die Macht der Eins verfügt, um sie zu zerstören. Einen Elementenmeister-Magier.«
»›Wie sollen wir das schaffen?‹ fragten wir?« sagte Gardar, und sein Blick bat um Verständnis.
Solvadale fuhr fort und ließ Boaz nicht aus den Augen. »Und Avaldamon sagte: ›Ich werde einen Sohn zeugen mit dem Blut eines Elementenmeisters, der aber die Ausbildung eines Magier erhalten wird‹. Boaz, hör mir zu. Daß du geplant und gezeugt wurdest, um uns vor der Pyramide zu retten, schmälert nicht einen Augenblick lang die Tatsache, daß Avaldamon deine Mutter und dich geliebt und geschätzt hat.«
»Ich wurde den Magiern ausgeliefert?« fragte Boaz. »Ihnen dreißig Jahre überlassen, um eine Lüge zu leben? Um ein Leben zu leben, das so viel Leid verursacht hat? Ich kann das einfach nicht glauben!«
Seltsamerweise wurde Boaz’ Zorn von Yaqob unterstützt.
»Er war genauso sehr Sklave wie Isphet oder ich«, sagte er.
»Und auf eine Weise hat man ihn mehr verraten als uns.«
»Und Yaqob und Tirzah und ich«, sagte Isphet, »gehörten wir alle auch zu diesem Plan? Wurden wir ›gezüchtet‹ und gegängelt, damit auch wir ›benutzt‹ werden konnten?«
»Nicht von uns, und auch nicht von Avaldamon«, erwiderte Caerfom. »Aber mit Sicherheit von den Soulenai.«
Danach kehrte ein langes Schweigen ein. Wir kämpften gegen Zorn, Groll und
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