Der Steinwandler pyramiden2
Stunden nur noch trübseliger machen.«
»Ich glaube, nichts kann sie trübseliger machen, als sie schon sind«, sagte er, aber er hielt mich lange Zeit nur schweigend im Arm, und wir sahen zu, wie der Fluß an uns vorbeiglitt.
Je näher wir der Pyramide kamen, desto dicker und verkrusteter war der Stein, und ich ging davon aus, daß der Juitsee noch immer darin erstarrt war. Wanderte Memmon noch immer den Pfad zwischen Fluß und Haus auf und ab? Ich erschauderte, und Boaz’ Arme griffen fester zu.
»Aber was ich am meisten von allem bedauere, ist das, was ich dich bitten muß, unserem Kind anzutun. Ich will die Zuflucht im Jenseits nicht mit dem Wissen betreten, daß Nzame währenddessen sicher in deinem Schoß heranwächst.
Bitte, ich bitte dich, ich will dich nicht mit Nzame zurücklassen.«
»Ich werde tun, was du wünschst, Boaz. Ich verspreche es.«
»Danke«, flüsterte er. »Jetzt weiß ich, daß unser Opfer es wert sein wird.«
Stöhnende Steinmänner stapften am Ufer entlang. Es waren jedoch nicht viele, und die Soldaten wurden leicht mit ihnen fertig.
Vor uns erhob sich die Pyramide, sah auf grausame Weise schön aus, pulsierte vor Leben, wuchs.
Wartete.
Ihr Schatten flackerte.
Gesholme war zu einzelnen Steinhaufen verkommen. Nzame hatte nicht gewollt, daß irgendetwas den Blick auf den Fluß verstellte. Die Pyramide unterschied sich rein äußerlich nicht sehr von der, vor der wir geflohen waren; der goldene Schlußstein funkelte in der Sonne, die blaugrünen Glasplatten leuchteten, und der finstere Rachen stand noch immer weit geöffnet.
»Bruder…«
Zabrze stand hinter uns, Unsicherheit in seinem Blick.
»Bruder, bist du dir sicher, daß du es schaffen kannst?«
»Ja, natürlich bin ich das«, erwiderte Boaz und brachte ein zuversichtliches Lächeln zustande. »Von heute nachmittag an sollst du dein Reich zurückhaben, Chad Zabrze.« Er schlug Zabrze auf die Schulter, dann ging er an ihm vorbei auf die ausgelegte Landeplanke zu.
»Tirzah?« fragte Zabrze. »Bleibst du hier?«
»Nein. Ich werde bis zum Ende mitmachen.« Und ich schob mich ebenfalls an ihm vorbei.
Zabrze wußte Bescheid, dachte ich. Irgendwie wußte er es.
Isphet fing mich ab. »Tirzah?« Ihre Finger krallten sich in meinen Arm. »Was hat Boaz vor?«
Boaz stand jetzt auf dem Kai und sah ungerührt zu, wie eine Gruppe von zehn Soldaten drei Steinmänner außer Gefecht setzten, die auf uns zukamen. Er sah so schön aus, in seinem schlichten weißen Gewand, das Haar zurückgekämmt.
Wenn alles wie geplant verlief, würde er heute abend bei den Soulenai ruhen.
Wenn alles wie geplant verlief.
»Er wird Nzame in der Unendlichkeit gefangensetzen«, sagte ich. »Und dann wird er das Lied der Frösche dazu benutzen, um in die Zuflucht im Jenseits zu flüchten.«
»Aber das bedeutet…« Isphet verstummte, als sie meinen Gesichtsausdruck sah.
»Ja, Isphet, ich weiß, was das bedeutet.«
Sie starrte mich an, dann nickte sie. Isphet würde ihre Zeit nicht mit sinnlosen Banalitäten verschwenden, und dafür war ich ihr dankbar.
»Dann laß uns bis zum Ende dabei sein, Tirzah. Laß es uns miterleben und miteinander teilen.«
Ich holte tief Luft, nickte, und wir verließen Arm in Arm das Boot.
Nachdem wir den Kai verlassen hatten, belästigte uns kein Steinmann mehr.
Nichts störte uns außer Nzames pulsierender Gegenwart.
Die Magier waren um die Pyramide herum postiert. Hunderte der schwarzen Gestalten begrüßten uns, als wir die Prachtstraße entlang gingen, schwankten hin und her, stöhnten Nzames Namen, bis zu den Knöcheln in dem schwarzen, glasigen Felsen versunken, der sich vom Rand der Pyramide ausgebreitet hatte. Sie sahen wie ein Garten aus, sauber gepflanzt, und vermutlich waren sie das sogar auf eine gewisse Art und Weise.
Als wir uns der Pyramide fast ganz genähert hatten, sahen wir, daß sie doch nicht ganz so wie zuvor war. Die Pyramide war gewachsen. Sie war fast doppelt so groß wie vorher. Und hinter den Glasplatten wanderten Augen auf und ab, Tausende, und Gesichter und Hände drückten sich kurze Augenblicke lang gegen das Glas und lösten sich dann in Nichts auf.
Die Seelen all jener, die Nzame verschlungen hatte. Für alle Ewigkeit im Glas der Pyramide gefangen.
Wir blieben zwanzig Schritt vor der Rampe stehen, die zu ihrem hungrigen Maul führte.
Mir war übel, ich hatte weiche Knie. Ich konnte nicht glauben, daß Boaz diese Rampe hinaufgehen und die Pyramide betreten würde.
Boaz sah
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