Der Steinwandler pyramiden2
umher. Völlig verwirrt und ohne Essen oder Kleidung.
Etwas muß für sie getan werden. Und zwar bald. Die Soldaten, die bei ihnen geblieben sind, werden das nicht alleine schaffen.«
»Ja.«
»Iraldur kann für sie etwas auf seinem Heimweg in die Wege leiten.«
»Ja.«
»Tirzah, Ashdod braucht dich, sein Volk braucht dich.
Versinke jetzt bloß nicht in Selbstmitleid.«
Ich fuhr wütend zu ihr herum. »Bekomme ich nicht einmal eine Stunde, um allein zu trauern, Isphet? Muß ich mit den Schultern zucken und sagen: ›Nun, was geschehen ist, ist geschehen.‹«
»Tirzah…«
»Du stehst bloß da und befiehlst mir, die Ärmel aufzukrempeln, weil Arbeit auf uns wartet! Das kannst du allein machen! Ruf Yaqob, wenn du willst, aber ich will nichts damit zu tun haben!«
Und ich ging in eine der Kammern auf Deck und schlug die Tür hinter mir zu. Dort blieb ich in der Mitte des kühlen Raumes stehen und starrte hoffnungslos vor mich hin. Dann fing ich an zu weinen, sank zu Boden, schlang die Arme um meinen Körper und wiegte mich hin und her.
Boaz war fort. Er war ein solch wichtiger Teil meines Lebens, war schließlich mein ganzes Leben geworden, und die Erkenntnis fiel schwer, daß ich ihn nur ein Jahr lang geliebt hatte. Und nun hatte ich ihn verloren.
Zorn verdrängte meine Trauer. Er sollte verflucht sein! Mich auf diese Weise zurückzulassen! Erst mein Leben zu beherrschen und mich dann zu verlassen!
Und mir auch noch zu sagen, ich solle mein Kind töten. Ich sollte es tun. Ich kannte die Gefahr. Aber die Geschichte über dieses Kind war nur eine weitere von Nzames Lügen gewesen… oder nicht? Und Nzame war doch fort, denn sonst hätte sich das Land doch bestimmt nicht so schnell erholt…
oder etwa nicht?
Es würde alles ganz einfach sein. Das Kind hatte sich kaum eingenistet, sein Leben war kaum entwickelt. Ein Kräutertrunk, eine Nacht voller Unbehagen und Krämpfe, und dann würde es verschwunden sein.
Aber auf der anderen Seite war es alles, was mir von Boaz geblieben war.
Und bestimmt war es nicht von Nzame in Besitz genommen worden. Ich hatte nichts gespürt. Und ich hätte doch bestimmt etwas davon spüren müssen…?
Boaz sollte verflucht dafür sein, mich zu verlassen und mir vorher zu sagen, das Kind loszuwerden. Da hatte der Magier gesprochen. Er hatte das Kind nicht gewollt, weil er selbst nach so vielen Monaten, in denen er diesen Teil von sich unterdrückt hatte, noch immer von der Vorstellung angewidert war, ein Kind zu haben, die Eins zu teilen.
Ja. Das war es. Boaz mochte einfach keine Kinder. Wollte sich nicht teilen.
Er hatte gewußt, daß Nzame log. Aber Nzames Drohung war ein guter Grund gewesen, mir Angst einzujagen, damit ich sein Kind loswurde.
Ja. Nun, er sollte verflucht sein! Ich würde es nicht tun! Hatte er mich nicht bereits genug verletzt? Aber wie auch immer, es waren noch ein paar Wochen Zeit, bevor es gefährlich wurde, das Kind abzutreiben. Ich konnte noch damit warten. Ich wollte sicher sein.
Ich holte tief Luft und trocknete mir die Augen. Isphet und ich konnten mit den Soulenai sprechen – und mit Boaz’ Schatten. Boaz konnte mir sagen, ob alles in Ordnung war, ob Nzame in der Unendlichkeit gefangen war. Das Kind war sicher. Er würde froh sein, daß es weiterhin in mir wuchs.
Ich lächelte und dachte nach. Ich wiederholte das Muster von Boaz’ Vater und seiner Gemahlin Tirzah. Der Vater tot, die junge Frau schwanger. Führte Avaldamons magische Linie weiter.
Ich stand auf und klopfte den Staub aus meinen Kleidern.
Boaz hatte sich geirrt. Alles würde in Ordnung kommen.
Zabrze war Chad, Nzame war besiegt, aber das Leben selbst würde Hilfe brauchen, bevor es sich wieder ordnen konnte. Ich entschuldigte mich bei Isphet, sie umarmte mich und vergoß auch ein paar Tränen, und wir taten, was wir konnten.
Wir traten nicht sofort in Verbindung mit den Soulenai oder der Zuflucht, denn sowohl Isphet als auch ich waren der Meinung, daß Boaz eine schwierige Reise aus der Unendlichkeit bevorstand, die Zeit brauchen würde. Also warteten wir erst einmal ab. Ich erzählte Isphet von dem Kind, und sie weinte und lachte und tätschelte meine Wange und eilte los, um es Zabrze zu erzählen.
Ich erzählte ihr jedoch nichts von Nzames Drohung, und sie kam nicht darauf, eine Verbindung zwischen der Frage, die ich in der Kammer zur Unendlichkeit dem Glas gestellt hatte, und meiner Schwangerschaft herzustellen.
Der Stein hatte sich aus ganz Ashdod zurückgezogen,
Weitere Kostenlose Bücher