Der Steinwandler pyramiden2
Zabrze an und nickte, dann wandte er sich mir zu.
Er schlang die Arme um mich und zog mich fest an sich. Ich klammerte mich so fest an ihn, wie ich nur konnte, wollte ihn anbrüllen, nicht zu gehen, nicht hineinzugehen. Oh ihr Götter, laß mich nicht so zurück, geh nicht, geh nicht…
»Ich habe mein Leben im Bann und im Dienst dieser Bestie gelebt«, sagte er sehr ruhig. »Es ist passend, daß ich mein Leben und ihr Leben auf diese Weise beende.«
Er faßte mein Kinn und hob mein Gesicht. Durch den Tränenschleier hindurch konnte ich ihn kaum erkennen. »Oh, Tirzah, bitte weine nicht. Du und ich, wir werden uns wiedersehen, in der Zuflucht im Jenseits. Dort werden wir die ganze Ewigkeit miteinander verbringen. Bitte, Tirzah, bitte lächle, mir zuliebe.«
Ich versuchte es, die Götter wissen, daß ich es versuchte, aber ich konnte es nicht. Ich vergrub das Gesicht an seiner Brust und schluchzte wieder, verabscheute mich dafür, daß ich nicht noch einmal lächeln konnte.
Hände ergriffen meine Schultern und zogen mich zurück.
Zabrze.
»Lebewohl, Tirzah«, flüsterte Boaz und küßte mich zärtlich, dann ging er.
Nzame tobte. Wir konnten ihn hören, wir konnten ihn fühlen, und irgendwie konnten wir auch Boaz fühlen, wie er durch die verschiedenen Gänge nach oben stieg, sich langsam zur Kammer zur Unendlichkeit begab.
Ich weiß nicht, wie er überhaupt so weit kommen konnte.
Möglicherweise konnte er seine Macht als Magier oder als Elementenmeister benutzen, um Nzame abzuwehren, aber schließlich betrat er die furchtbare Kammer zur Unendlichkeit, wo ihn die Stimme von Nzame empfing.
Narr! Zum Untergang verurteilter Narr! Geh zurück! Geh zurück!
Die Gesichter und Hände, die sich gegen die Wände der Pyramide preßten, wurden noch unruhiger; die Umrisse ihrer Nasen und Stirnen dehnten sich, ihre Hände schlugen und drückten, suchten zu entkommen, zu fliehen…
Nzame schrie, jetzt völlig wortlos, und ich ließ zu, daß Zabrze mich weiter festhielt.
Gesichter und Hände verschwanden und wurden durch blutige Schriftzeichen ersetzt, die sich über alle Außenwände schlängelten.
Boaz hatte in der Pyramide die Kammer zur Unendlichkeit zum Leben erweckt.
Energie summte durch die Sohlen meiner Sandalen, jeder der am Straßenrand und um die Pyramide herum gepflanzten Magier warf den Kopf zurück und stieß ein schauerliches Heulen aus.
Tief im Inneren der Pyramide blitzte Licht auf, dann gleißte der ganze Bau in strahlender Helligkeit, als würde er eine Sonne enthalten.
Ich schrie genauso wie alle anderen, und Zabrze riß mich herum und versuchte, mit seiner Hand meine Augen zu bedecken.
Tirzah!
Etwas schrie auf. Ich weiß nicht, was es war, was… wer es war.
Tirzah!
Und dann – nichts.
Nichts.
Das Licht war erloschen. Die Schrift war verschwunden. Die in Glas gefangenen Gesichter und Hände hatten sich aufgelöst.
Die Pyramide funkelte friedlich in der Sonne.
Unschuldig.
Nzame war verschwunden.
So wie die Magier. Sie waren zu schwarzen Lachen zerschmolzen, und diese lösten sich schnell in der Nachmittagssonne auf.
Dann gab es ein lautes Krachen, und ein Spalt öffnete sich vom Fluß bis zur südöstlichen Ecke der Pyramide. Und dann noch einer, diesmal vom Fluß zur südwestlichen Ecke.
Und dann zerbrach das ganze Land um uns herum.
»Boaz!« schrie ich. Ich riß mich von Zabrze los und rannte in die Pyramide hinein.
Es war schwarz, alles war schwarz. Nzame hatte alles zu Schwarz zerschmelzen lassen.
Schwarz und rutschig. Ich stürzte mehr als ein Dutzend Mal, als ich den Hauptgang zur Kammer zur Unendlichkeit hinauflief; einmal schlug ich so hart mit dem Gesicht auf, daß meine Nase zu bluten anfing, aber ich rappelte mich auf, wischte mir das Blut aus dem Gesicht und lief weiter.
Ich fühlte nichts von der Pyramide. Nichts.
Ich rannte um die letzten Biegungen, hörte ein Geräusch weit hinter mir, aber mein Keuchen machte es mir unmöglich, es genau zu bestimmen.
Licht tröpfelte aus einer Abzweigung hervor. Helles Licht.
Die Kammer zur Unendlichkeit.
Ich kam um die Biegung und blieb stehen. Aus der Tür zur Kammer strömte Licht, das fast so hell war wie die Sonne.
Und ich konnte etwas hören.
Das Glas. Die goldenen Glasnetze schnatterten aufgeregt miteinander.
Ich ging langsam weiter, unsicher, mußte immer wieder die Augen zukneifen. Ich erreichte die Tür und streckte die Hand in den Raum.
Nichts. Nur das Durcheinandergeplapper des Glases.
Ich zögerte nicht
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