Der sterbende Detektiv - Roman
Kinderheimjunge, der nie jemandem begegnet war, der genauso stark war wie er selbst.
Die Krankengymnastik verlief leidlich. Keine unerwarteten Rückschläge, aber auch keine Fortschritte, trotzdem hielt Johanssons gute Laune an.
»Jetzt gehen wir Mittag essen«, sagte Johansson. »Rufen
Sie bei Ulla Winbladh an, ob sie uns Kohlrouladen in Sahnesauce, Kartoffeln und Preiselbeeren machen kann«, sagte er und nickte Matilda im Rückspiegel zu.
»Davon bin ich absolut überzeugt«, erwiderte Matilda kopfschüttelnd.
»Gut«, sagte Johansson. Man kann sagen was man will, aber dieses Mädchen ist nicht dumm, obwohl sie sich so unbegreiflich verunstaltet hat, dachte er.
»Sahnesauce ist vielleicht nicht so weise«, meinte Max verlegen.
»Hören Sie mal genau zu, Max«, sagte Johansson und wechselte die Spur, ohne zu blinken. Das Taxi hinter ihm ließ das Fernlicht aufleuchten und hupte, was Johansson vollkommen egal war.
»Hören Sie genau zu«, wiederholte er. »Ein richtiger Mann hat nur einen Chef, und wenn dieser Sahnesauce sagt, dann gibt’s Sahnesauce.« Ganz egal, was dir meine Frau einredet, dachte er.
»Verstanden, Chef«, sagte Max und nickte.
»Dann könnten Sie diesem Idioten auch noch einen bösen Blick zuwerfen«, meinte Johansson und nickte in Richtung des Taxis, das mit einem wild gestikulierenden Fahrer am Steuer neben ihnen herfuhr.
»Verstanden, Chef«, meinte Max, öffnete das Seitenfenster und schüttelte seine Faust in Richtung des aufgebrachten Taxifahrers.
»Kluger Mann«, sagte Johansson, als er sah, dass das Taxi abbremste und sich hinter ihnen einfädelte, ohne aufzublenden oder zu hupen. Auch ohne erzürnte Gesten. Genau wie vor vierzig Jahren, als er noch mit seinem besten Freund im Streifenwagen gesessen und nach den Ganoven Ausschau gehalten hatte. Sie waren die Straßen rauf- und runtergefahren, und ihnen hatte die Welt gehört. So gut war es ihm nicht
mehr gegangen, seit er vor Schwedens bester Wurstbude am Karlbergsvägen gehalten und sich mit Pezwei und seinen Kollegen von der Bereitschaftspolizei unterhalten hatte.
Als er wieder zu Hause war, legte er sich aufs Sofa und hielt ein kleines Mittagsschläfchen. Er erwachte, weil Matilda eintrat und ihn anschaute.
»Sind Sie wach?«, fragte sie.
»Yes«, antwortete Johansson. Gegen eine Tasse Kaffee wäre jetzt nichts einzuwenden, dachte er.
»Sie haben einen Brief bekommen«, sagte Matilda und hielt ihm einen weißen Umschlag hin.
»Aha«, meinte Johansson. »Ist der vielleicht von der guten Zahnfee?«
»Nein«, erwiderte Matilda, »aber etwas obskur ist er.«
»Wieso obskur?«, fragte Johansson.
»Die Post kam schon vor zwei Stunden«, antwortete Matilda. »Dieser Brief ist unfrankiert und hat keinen Absender. Es steht nur Ihr Name drauf. Lars Johansson. Jemand muss ihn durch Ihren Briefschlitz geschoben haben.«
»Machen Sie ihn auf«, befahl Johansson und wedelte auffordernd mit seinem schlechten rechten Arm.
»Sehr rätselhaft«, sagte Matilda und hielt ein großes Blatt Papier in die Höhe, das in der Mitte gefaltet war.
»Was steht da?«, fragte Johansson.
»Ein Name«, sagte Matilda. »Staffan Leander. Nur ein Name. Nichts weiter. Staffan Leander.«
»Staffan Leander«, wiederholte Johansson.
»Sehen Sie selbst«, sagte Matilda und reichte ihm den Brief.
»Wann haben Sie mich nach Lilla Essingen gefahren?«, fragte Johansson.
»Das war letzte Woche«, sagte Matilda. »Letzten Dienstag. Das war vor fast einer Woche.«
Erika Brännström, dachte Johansson. Plötzlich saß sie auf dem Stuhl vor ihm, die Hände auf dem Schoß gefaltet, die Augen misstrauisch. Hände, die von harter Arbeit gezeichnet waren, dachte er. Erika, die zwei kleine Töchter im selben Alter wie Yasmine hatte.
61
Montagnachmittag des 2. August 2010
Einfach ein Einfall, ein verrückter Gedanke, aber irgendetwas musste er ja schließlich tun. Mit einiger Mühe hatte er den Karton mit den hunderten von Auszügen aus dem Kraftfahrzeugregister zum Sofa geschleppt. Er nahm die zuoberst liegenden heraus, blätterte darin, legte sie zurück und nahm einen neuen Stoß, der ganz unten lag, hervor. Unsortiert, ein heilloses Durcheinander, dachte Johansson, und legte auch diesen Packen zurück. Wie es nicht anders zu erwarten war, nachdem etliche Kollegen fünfundzwanzig Jahre zuvor ihren jeweiligen Eingebungen gemäß darin herumwühlt hatten. Und natürlich gab es keine von einem Computer erstellte Liste, die ihm jetzt fünfundzwanzig
Weitere Kostenlose Bücher