Der sterbende Detektiv - Roman
wie ein verlassenes Kind. Jarnebring wusste nicht, was er tun sollte. Er klopfte ihm auf die Schulter und erklärte, dass er ihm glaube. Josef Ermegan nahm seine Hand, drückte sie fest mit beiden Händen und drückte sie dann an sein Gesicht.
Jarnebring wurde verlegen, obwohl er so allerhand gewöhnt war. Er löste seine Hand so behutsam wie nur möglich aus der Umklammerung, beugte sich über den Tisch und fasste Josef Ermegan an den Schultern. Er drückte fest zu, damit dieser ihm auch wirklich zuhörte. Josef Ermegan jammerte, stöhnte und winselte wie ein verwundetes Tier, er drückte sich die Fäuste vor die Augen und legte den Kopf auf den Tisch, an dem sie saßen. Jarnebring tätschelte ihm den Rücken. Sagte, er müsse sich zusammenreißen, um mithelfen zu können, den Mann zu finden, der seine Tochter ermordet habe. Josef Ermegan richtete sich auf und nahm die Hände von seinem Gesicht.
»Ich schwöre«, sagte Josef Ermegan. »Ich schwöre, Ihnen zu helfen. Ich schwöre es beim Kopfe meiner Tochter.«
Wäre es Yasmine nur geglückt, sich an das Versprechen, das sie ihrem Vater gegeben hatte, zu halten, dann wäre alles nie passiert. Stattdessen begannen sie und ihre Mutter Maryam, 32, zu streiten, noch ehe sie zum Essen am Tisch Platz genommen hatten. Yasmine nahm eine Dose Cola aus ihrem Rucksack, setzte sich an den Küchentisch und begann, einen Comic zu lesen. Ihre Mutter fing an zu schimpfen, sie dürfe keine Cola trinken, das sei schlecht für ihre Zähne. Sie als Zahnhygienikerin wisse das viel besser als Yasmines Vater. Als sie ihrer Tochter die Dose wegnehmen wollte, lief ein Teil des Inhalts auf Yasmines Bluse. Sie begannen, sich anzuschreien. Dann packte das Mädchen ihren kleinen Rucksack mit all ihren Sachen, rannte ins Badezimmer und schloss sich ein.
Ihre Mutter beschloss, den Vorfall zu übergehen. Erst als das Abendessen fertig und der Tisch gedeckt war, klopfte sie an die Badezimmertür, es sei Zeit zum Essen. Yasmine erschien. Die weiße Bluse hatte sie durch ein rosa T-Shirt ersetzt.
Dazu trug sie eine hellblaue Jeans. Yasmine setzte sich an den Tisch und begann mürrisch schweigend zu essen. Auch das ignorierte ihre Mutter. Dann klingelte das Telefon. Die Mutter ging ins Wohnzimmer und hob ab. Es war eine Arbeitskollegin. Maryam erklärte, sie und ihre Tochter äßen gerade zu Abend, sie würde später zurückrufen. Als sie das Gespräch beendete, hörte sie, wie die Wohnungstür ins Schloss fiel. Kurz vor sieben am Abend des 14. Juni 1985, am besagten Freitag. Wenn sie ihre Tochter nicht ausgeschimpft hätte, hätten sich die darauf folgenden Dinge nie ereignet.
Erst war sie ins Badezimmer gerannt, warum, das konnte sie später nicht erklären. Auf dem Fußboden vor dem Waschbecken lagen Yasmines Schlüssel. Ein kunstvoll geflochtener Lederriemen, den sie um den Hals trug, mit Schlüsseln zur Wohnung der Mutter und zum Haus des Vaters. Offenbar hatte sie die Schlüssel abgelegt, als sie ihre weiße, fleckige Bluse aus- und das rosa T-Shirt angezogen hatte. Sie hatte den Schlüssel nicht mehr umgehängt, als ihre Mutter sie dazu aufgefordert hatte, zum Abendessen zu erscheinen.
Dann war Maryam auf den Balkon gelaufen, um nach ihrer Tochter zu rufen. Aber die Straße war leer. Einzig ein paar Passanten sahen sie erstaunt an, als sie vom Balkon nach Yasmine rief.
Daraufhin hatte sie ihre Schuhe angezogen und war die Treppe hinuntergerannt. Gerade als sie auf die Straße laufen wollte, traf sie einen Nachbarn, der Polizist war. Er war beträchtlich älter als sie, aber immer, wenn sie sich begegneten, hatte sie das Gefühl, dass er sie attraktiv fand. Obwohl er Schwede und blond und Polizist und viel älter war als sie, die geflohene Iranerin, die gerade erst die schwedische Staatsbürgerschaft erhalten hatte.
»Hoppla, hier ist ja was los«, sagte Inspektor Peter Sundman
und lächelte die Frau an, die ihm gerade in die Arme gelaufen war.
»Entschuldige, Peter«, sagte Maryam, als sie ihn erkannte. »Es geht um meine Tochter Yasmine. Sie ist vorhin abgehauen. «
»Das kann aber nicht lange her sein«, sagte Peter Sundman. »Ich habe sie gerade erst getroffen, da war sie auf dem Weg zur U-Bahn. Sie sah so aus, wie man aussieht, wenn man mit seiner Mutter gestritten hat. Ich habe ihr zugewinkt, aber sie hat mich kaum wahrgenommen. Wenn du mich fragst, so ist sie auf dem Weg zu ihrem Vater, um ihm zu erzählen, wie dumm ihre Mutter gewesen ist und um ein wenig Verständnis zu
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