Der sterbende Detektiv - Roman
Söhne haben Monchichi-Puppen. Yasmine war neun Jahre alt, als sie 1985 ermordet wurde. Sie könnte diese Haarspange durchaus besessen haben.«
Johansson nickte einfach. Kein Haar hatte sich in der Spange verfangen, dachte er, als er die Tüte hin- und herdrehte.
»In diesem Umschlag«, sagte Johansson und hielt die zweite Tüte in die Höhe, »da lag nicht zufällig ein Haar darin?« Er konnte es ja nicht mehr nachprüfen.
»Nein«, sagte Ulrika Stenholm. »Ich war sehr vorsichtig, als ich ihn öffnete. Ich sah schließlich, was mein Vater daraufgeschrieben hatte. Kein Haar. Diese Frage habe ich mir in der Tat auch gestellt. Ich bin schließlich Ärztin, ein bisschen Ahnung habe ich also auch. Nichts, nur die Haarspange.«
Ein fürsorglicher Mörder, dachte Johansson. Er hat ihr die Haarspange abgenommen, damit sein bereits schlafendes Opfer mit offenem Haar auf dem Kissen liegt.
»Diese Margaretha Sagerlied«, meinte Johansson. »Was wissen Sie über sie?«
»Einiges«, erwiderte Frau Dr. Stenholm. »Ich bin ihr sogar ein paarmal begegnet. Ich habe nach ihr im Internet gesucht, nachdem ich den Umschlag gefunden hatte. Sie steht auch im ›Wer ist wer‹, Sie wissen schon, in diesem Nachschlagewerk.«
»Erzählen Sie«, sagte Johansson. Immer dieses Internet, dachte er.
Margaretha Sagerlied kam am 12. April 1914 zur Welt und starb am 6. Mai 1989 im Alter von fünfundsiebzig Jahren. Sie war Opernsängerin. Keine der bekanntesten, aber ausreichend bekannt, um in Zeitungsartikeln, Rezensionen und Büchern über Opern und Opernsängerinnen erwähnt zu werden. Sie war bekannt genug, um bereits in den 50er Jahren im »Wer ist wer«-Verzeichnis zu stehen.
»Wie gesagt, ich habe sie in einem alten Exemplar der ›Wer ist wer‹-Ausgabe gefunden«, sagte Frau Dr. Stenholm. »Offenbar hat mein Vater dieses Nachschlagewerk regelmäßig bezogen. Ich besitze sicher zwanzig verschiedene Jahrgänge, die er mir vererbt hat und die in meinem eigenen Bücherregal stehen.«
»Und was stand dort?«, wollte Johansson wissen.
»Ich war durchaus etwas überrascht«, sagte Frau Dr. Stenholm. »Dass sie bekannt war, wusste ich natürlich, aber nicht, dass sie so bekannt war. Ihr Eintrag war fast so umfassend wie der von Birgit Nilsson. Ich kann Ihnen den Artikel kopieren. «
»Ja, ja«, meinte Johansson. »Meistens liegt es daran, dass der Betroffene den Eintrag selbst verfassen darf.«
»Das erklärt einiges«, meinte Ulrika Stenholm. »Die Gute scheint sehr von sich eingenommen gewesen zu sein. Sie war, als meine Schwester und ich noch klein waren, mehrere Male bei meinen Eltern zum Essen eingeladen. Sie sang auch bei Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen in der Kirche in Bromma, und sie erzählte immer eine Unmenge Geschichten. Wie sie den König getroffen habe, also den Vater des jetzigen Königs. Dass sie zusammen mit Jussi gesungen habe und dass sie Birgit Nilsson kenne. Sie sei zum Galadiner aufs Schloss und beim Landeshauptmann eingeladen worden. Sie habe angeblich auch bei der Nobelpreisverleihung gesungen. Habe ich übrigens erwähnt, dass sie sehr gut aussah? Ihr Aussehen war ihr sehr wichtig. Ich persönlich fand allerdings nie, dass sie eine richtig große Sängerin war.«
»Das fanden Sie also nicht«, meinte Johansson. Nicht wie Birgit Nilsson. Klingt kaum wie jemand, der rissige rote Plastikhandschuhe zum Spülen anzieht, dachte er.
»Nein«, erwiderte Ulrika Stenholm. »Ich bin recht musikalisch, müssen Sie wissen. Ich habe Klavier gespielt und in der
Kirche meines Vaters georgelt. Das tue ich noch immer, ich spiele mehrere Stunden in der Woche Klavier. Ich kann mich sehr gut dabei entspannen.«
»Mann und Kinder?«, fragte Johansson. »Gab es so was?«
»Keine Kinder.« Frau Dr. Stenholm schüttelte den Kopf. »Sie heiratete recht spät. Laut ›Wer ist wer‹ erst 1960, und da war sie ja schon fast fünfzig. Ihr Mann war bedeutend älter, Jahrgang 1895, er starb 1980. Ich kann mich noch vage an ihn erinnern. Irgendwann hat er seine Frau auch mal zu einem Abendessen bei uns begleitet. Laut ›Wer ist wer‹ hieß er Johan Nilsson und war Fabrikdirektor. Ich bilde mir ein, irgendwo in der Lebensmittelindustrie, ich erinnere mich, dass mein Vater einmal erzählte, er sei sehr wohlhabend.«
Ein fünfundachtzig Jahre alter Mann, der fünf Jahre vor dem Mord an Yasmine gestorben war, keine Kinder, keine Enkel. Jedenfalls von Kindern und Enkeln nichts bekannt. Vielleicht irgendein anderer jüngerer,
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