Der sterbende Detektiv - Roman
neuem Auto angefangen. Obwohl er ihn zum halben Preis bekommen hatte, gab es für Jarnebrings Frau wichtigere Anschaffungen. Insbesondere für zwei Leute fortgeschrittenen Alters, die von ihrem Polizistinnengehalt und seiner Rente leben mussten.
»Und was hast du gemacht?«, fragte Johansson, obwohl er die Antwort auf diese Frage bereits kannte.
»Ich bin eingeknickt«, antwortete Jarnebring. »Ich habe uns eine Last-Minute-Reise nach Thailand gebucht. Ich fühle mich wie ein Trottel. Ein Liebesurlaub, damit sie sich entscheiden kann, ob sie mich noch haben will. Eine Woche nur, aber immerhin.«
»Mitten im schwedischen Hochsommer«, stellte Johansson fest, der plötzlich wieder diese Ausgelassenheit verspürte, die sich mittlerweile ständig mit seinen Kopfschmerzen, dem Druck auf seiner Brust, seinen Angstzuständen, seiner Wut und seiner Wehmut abwechselte. Verkauf den Wagen, dachte er.
»Frauenzimmer«, sagte Jarnebring.
»Ist schon o.k.«, sagte Johansson. Versprich mir, meinem Bruder nichts zu sagen, dachte er.
»Ich habe übrigens schon mit deinem Bruder gesprochen«, sagte Jarnebring, als hätte er seine Gedanken lesen können.
»Und was hat der gesagt?«
»Dass ich mir von den Weibern nicht alles vorschreiben lassen soll«, antwortete Jarnebring. »Dann hat er mir noch ein paar hübsche Orte in Thailand empfohlen.«
Klingt ganz nach Evert, dachte Johansson.
Sobald Jarnebring gegangen war, brachte ihm Matilda eine große Tasse Tee und ein belegtes Brot. Roggenbrot, ein Salatblatt,
Tomate und darauf eine großzügige Schicht Serranoschinken. Wieder einmal meldete sich sein schlechtes Gewissen.
»So sehr bin ich nicht mehr bemuttert worden, seit ich ein kleiner Junge war und krank zu Hause im Bett gelegen habe«, sagte Johansson. Hör auf zu jammern, dachte er.
»Company policy«, sagte Matilda und nickte in Richtung der vielen Kartons mit den Papieren, die auf dem Fußboden neben dem Sofa standen. »Beschäftigen Sie sich gerade mit einem alten Fall? Sie wissen doch, wie wichtig es ist, dass Sie sich ausruhen und nicht stressen? Sie müssen lernen zu chillen.«
»Fall ist zu viel gesagt«, antwortete Johansson. »Es handelt sich um einen alten ungelösten Mord.«
»Ein Mord. Wie cool.«
»Seien Sie nicht kindisch«, erwiderte Johansson und schüttelte den Kopf. »Daran ist überhaupt nichts cool. Das ist nur traurig und erbärmlich. Fürchterlich ist es auch.«
»Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen helfen.«
»Das bezweifle ich«, erwiderte Johansson.
»Warum nicht?«
»Die Ermittlungsunterlagen unterliegen der Geheimhaltung, damit nicht alle naseweisen Personen wie Sie darin herumblättern. «
»Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen«, sagte Matilda. »Ich bin kein Gossip Girl.«
»Na gut«, erwiderte Johansson, dem plötzlich ein weiterer Gedanke gekommen war. »Kennen Sie sich mit dem Internet aus?« Kein Gossip Girl, dachte er.
»Nicht so gut wie diese Lisbeth Salander, aber ich komme klar.«
Was für eine verdammte Lisbeth Salander?, dachte Johansson.
»Könnten Sie mir ausdrucken, was Sie im Internet über
einen Mann namens Joseph Simon finden? Joseph mit ph, im Übrigen, wie man’s spricht.«
»Natürlich kann ich das. Sie werden bald alles über ihn wissen«, versprach Matilda, obwohl sie keine Lisbeth Salander war. »Ist das der Schurke?«
»Nein«, sagte Johansson. »Er ist Arzt, geboren 1951, kam 1979 als politischer Flüchtling aus dem Iran nach Schweden. Zog 1990 in die USA um. Soll wahnsinnig reich sein, arbeitet in der Arzneimittelindustrie.«
»Warum interessieren Sie sich für ihn? Ich meine, wenn er nicht der Schurke ist?«
»Ich will wissen, wie er seine Trauer handhabt«, sagte Johansson.
Pia kam von der Arbeit nach Hause und fragte, wie es ihm ging.
»Gut«, antwortete Johansson trotz seiner Kopfschmerzen und des Drucks auf seiner Brust. Und obwohl er vor einer Viertelstunde eine der weißen Pillen geschluckt hatte, die er nur im Notfall nehmen sollte, da ihn plötzlich die Angst geschüttelt hatte, als wäre er ein wehrloses Kind. Dagegen half nur die Gleichgültigkeit, die ihm eine dieser kleinen weißen Tabletten bieten konnte.
»Prima«, log Johansson. »Komm, setz dich zu mir. Erzähle mir, wie es in der Bank gewesen ist, Liebling.« Warum habe ich das gesagt, überlegte er. Warum habe ich nicht nur einfach gefragt, wie es in der Arbeit war?
Abends rief sein Schwager an und berichtete, die Arbeit schreite wie vorgesehen voran, und bislang
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