Der sterbende König (German Edition)
gleiche Landschaft davor hinauszublicken.
Wir taten nichts, und die Dänen verheerten Wessex, ohne aber je zu versuchen, eine Wehrstadt zu erstürmen. Die Herbsttage wurden kürzer, und immer noch saßen wir in Lundene, ohne dass eine Entscheidung fiel. Erzbischof Plegmund kehrte nach Contwaraburg zurück, und ich hoffte, seine Abreise würde Edwards Mut stärken, aber Bischof Erkenwald wich dem König nicht von der Seite und riet ihm zur Vorsicht. Ebenso wie Pater Coenwulf, der für Edward die Messen las und der sein wichtigster Berater war. «Es sieht den Dänen nicht ähnlich, die Armee nicht zu verlegen», erklärte er Edward, «daher befürchte ich eine Falle. Lasst sie den ersten Zug machen, Herr König. Sie können schließlich nicht für alle Ewigkeit dort bleiben.» Darin zumindest hatte er recht, denn als aus der Herbstkühle langsam Winter wurde, bewegten sich die Dänen endlich.
Sie waren genauso unentschlossen gewesen wie wir, und nun überquerten sie einfach den Fluss bei Cracgelad und zogen auf demselben Weg ab, auf dem sie gekommen waren. Steapas Kundschafter berichteten uns von ihrem Rückzug, und Tag für Tag erhielten wir Nachricht, dass sie mitsamt den Sklaven, dem Vieh und der Beute zurück nach Ostanglien gingen. «Und wenn sie erst einmal dort sind», erklärte ich vor der Ratsversammlung, «werden die northumbrischen Dänen mit ihren Schiffen nach Hause fahren. Sie haben nichts erreicht, von den vielen Gefangenen und dem Vieh einmal abgesehen, aber auch wir haben nichts erreicht.»
«König Eohric hat den Friedensvertrag gebrochen», betonte Bischof Erkenwald empört, doch welchen Nutzen diese Bemerkung haben sollte, entging mir.
«Er hat versprochen, Frieden mit uns zu halten», sagte Edward.
«Er muss bestraft werden, Herr König», beharrte Erkenwald. «Dieser Vertrag war von der Kirche gesegnet!»
Edward warf mir einen Blick zu. «Und wenn die Northumbrier nach Hause gehen», sagte er, «ist Eohric verwundbar.»
«Falls sie nach Hause gehen, Herr König», gab ich zu bedenken. «Möglicherweise warten sie damit bis zum Frühling.»
«So viele kann Eohric nicht verköstigen», kam es von Aldermann Æthelhelm. «Sie werden nicht lange in seinem Königreich bleiben. Denkt doch nur daran, wie schwer es uns fällt, im Winter eine Armee durchzufüttern.»
«Also wollt Ihr im Winter bei ihm einmarschieren?», fragte ich verächtlich. «Wenn die Flüsse über die Ufer treten, wenn es regnet, und wenn wir durch gefrorenen Schlamm waten müssen?»
«Gott steht auf unserer Seite», erklärte Edward.
Die Armee war nun seit beinahe drei Monaten in Lundene, und die Nahrungsvorräte der Stadt gingen zur Neige. Es stand kein Feind vor den Toren, also wurde immer neue Verpflegung in die Lagerhäuser geschafft, aber das erforderte einen unglaublichen Aufwand an Karren, Ochsen, Pferden und Männern. Und die Krieger selbst waren am Ende ihrer Geduld. Einige schoben den Männern aus Cent die Schuld zu, weil sie so spät gekommen waren, und trotz des Mannes, den ich gehenkt hatte, gab es häufig Auseinandersetzungen mit Dutzenden von Toten. In Edwards Armee herrschten Unzufriedenheit, Unterbeschäftigung und Hunger, doch Bischof Erkenwalds Empörung über Eohrics Verrat an einem von der Kirche gesegneten Bündnis verlieh den Ratsmitgliedern mehr Entschlusskraft und brachte den König endlich dazu, zu handeln. Wochenlang waren die Dänen unserer Gnade ausgeliefert gewesen, und nun, wo sie Wessex verlassen hatten, fasste der Rat mit einem Mal Mut. «Wir müssen den Feind verfolgen», verkündete Edward, «uns zurückholen, was sie uns gestohlen haben, und uns an König Eohric rächen.»
«Wenn wir sie verfolgen», sagte ich mit einem Blick auf Sigelf, «brauchen wir alle Pferde.»
«Wir haben Pferde», sagte Edward.
«Aber nicht alle Männer aus Cent», sagte ich.
Sigelf fuhr auf. Er schien mir ein Mann zu sein, der die geringste Andeutung von Kritik als Beleidigung auffasste, aber er wusste, dass ich recht hatte. Die Dänen waren immer beritten, und eine Armee, die von Fußsoldaten verlangsamt wurde, würde sie niemals einholen oder schnell auf eine Bewegung des Gegners reagieren können. Sigelf warf mir einen finsteren Blick zu, widerstand aber der Versuchung, mir mit einer wütenden Bemerkung zu antworten. Stattdessen sah er den König an. «Könnt Ihr uns Pferde leihen?», fragte er Edward. «Was ist mit den Pferden von der Garnison hier?»
«Das würde Weohstan nicht gefallen», sagte Edward
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