Der Stern von Yucatan
schien leiser zu werden, wurde dann aber wieder lauter. “Dancy sagt, er hätte Anrufe von diesem Gary bekommen. Und dann meldete sich heute ein völlig anderer bei ihm und gab ebenfalls vor, Gary zu sein. Dein Freund schien sich deshalb ziemliche Sorgen zu machen.”
Jack umklammerte den Hörer. “Fahr fort.”
“Da gibt es nicht mehr viel zu erzählen. Dancy hat in dem von dir genannten Hotel eine Nachricht hinterlassen. Aber du warst da nicht eingetragen, und seine Tochter war noch nicht zu Hause. Er hatte keine Möglichkeit, dich zu erreichen, und schien sich wegen dieser Geschichte ziemlich aufzuregen. Dem ersten Anrufer hat er nämlich alles erzählt, was er über euch beide in Mexico City wusste. Jetzt ist er besorgt, und das wohl mit Recht.”
Jacks Gedanken rasten. Da konnte sich nur eine Person gemeldet haben, Jason Applebee.
“Ich muss gehen”, sagte er eilig.
“Lass dich mal blicken, okay?”
“Ich komme bald zu Besuch, das verspreche ich.” Er hängte den Hörer ein, stand da und dachte über das eben Gehörte nach.
Das Abenteuer war noch nicht vorüber.
Gary wusste in dem Moment, als er auf den Freeway einbog, dass er zu Marjories Haus fahren würde, obwohl sein eigentliches Ziel das Einkaufscenter war. Er hatte den idealen Vorwand, bei ihr vorbeizuschauen. Eine Autogrammkarte von Ken Griffey jr., die Brice gerne sehen wollte.
Er wollte etwas sagen wie, dass er gerade in der Gegend gewesen sei. Eine Lüge und sicher nicht sehr originell, aber was machte das schon. Er musste es wissen.
Seit dem Kuss beherrschte Marjorie seine Gedanken. Zwar waren sie übereingekommen, die Sache zu vergessen, doch das klappte nicht. Und es belastete ihre Arbeitsbeziehung. Andere Mitarbeiter würden es bald bemerken, und Gary fand es an der Zeit für ein klärendes Gespräch.
Am Samstagmorgen war er unruhig und nervös gewesen. Eigentlich hatte er einkaufen fahren wollen, aber warum hatte er die Baseballkarte eingesteckt? Wem wollte er eigentlich etwas vormachen? Einkaufen gehen stand auf seiner Beliebtheitsskala in einer Höhe mit Steuern zahlen.
Auf dem Freeway endlich gestand er sich ein, dass er von Anfang an zu Marjorie fahren wollte. Zugegeben, seinem Plan mangelte es an Finesse. Einfach unangemeldet vorbeizuschauen, war keine seiner brillanteren Ideen. Andererseits gefiel ihr vielleicht seine Spontaneität.
Er parkte auf der Straße vor ihrem Haus, ging zur Eingangsveranda und klingelte.
Marjorie öffnete die Tür. Er sah, dass sie überrascht war. “Gary … hallo.”
“Hallo.” Er widerstand dem Drang, sich zu entschuldigen und zum Auto zurückzulaufen. “Ist Brice da?” Er merkte verärgert, dass er wie ein kleiner Junge daherredete. “Ich habe die Baseballkarte dabei, die er so gern sehen wollte.”
Sie öffnete die Fliegendrahttür und ließ ihn ein. “Mit Autogramm von Ken Griffey jr.? Ich habe ihn mit seinen Freunden darüber reden hören.”
Sie hatte es wieder geschafft und ihm eine Peinlichkeit erspart. Das schien eine Spezialität von ihr zu sein.
“Brice hat am Samstagmorgen Baseballtraining.”
Er hätte daran denken müssen, denn Brice hatte es erwähnt. Aber schließlich war er nicht wirklich hier, um Brice zu sehen. Ihm war bewusst, dass er Marjorie anstarrte, doch er konnte es nicht ändern. Sogar in abgetragenen Jeans und einem ärmellosen Shirt war sie hübsch. Erst jetzt bemerkte er, dass sie gelbe Gummihandschuhe trug. In einer Hand hatte sie eine Dose Scheuerpulver, in der anderen einen Schwamm.
“Ich wollte gerade eine Pause machen und einen Kaffee trinken”, sagte sie. “Hättest du Lust, mir Gesellschaft zu leisten?”
Gary nickte eifrig und folgte ihr in die Küche. “Ich wollte dich nicht beim Putzen stören.”
“Ich sollte dir dafür danken”, erwiderte sie und zog die Handschuhe aus. “Ich verabscheue diese Arbeit.”
Er hob einen Stapel Zeitungen von einem der Küchenstühle und setzte sich. Sie schenkte jedem einen Becher Kaffee ein und setzte sich ihm gegenüber. Stirnrunzelnd blickte sie in ihren Becher, als hätte sie dort etwas entdeckt.
Gary atmete tief durch, es war Zeit für Aufrichtigkeit.
“Die Baseballkarte für Brice war nur ein Vorwand”, gestand er.
Sie wandte den Blick ab.
“Ich weiß, wir waren übereingekommen, den Kuss zu vergessen …”
“Und ich denke, das sollten wir auch tun”, erwiderte sie, ohne ihn anzusehen.
“Ich kann es nicht.” Ehrlicher konnte er nicht sein.
“Ich auch nicht.” Sie sprach so
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