Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)
an ihr Kennenlernen, die erste Zeit in den Gärten, ihr Zusammenfinden, an seine unerklärlichen Gefühle für den vermeintlichen Freund. Schließlich die Liebesnacht. Und dann – der Bruch. Die Schwangerschaft und Sophies Ablehnung, ihr Rückzug in eine Welt, die ihm verschlossen geblieben war.
Und dann die Katastrophe: das plötzliche Auftauchen ihres Bruders in den Gärten und dessen Tod. Und als er geglaubt hatte, dass sie über die Geburt des Kindes wieder zusammenfinden könnten, hatte er in die verräterisch-blauen Augen eines fremden Balgs geblickt.
Farid atmete tief ein und aus. Er war schnell hinaufgestiegen, nun schnappte er nach Luft. Nie würde er den Moment vergessen, als die Erkenntnis ihres Betrugs mit Wucht über ihm zusammengeschlagen war. Damals hätte er sein Leben für Sophie gegeben, doch sie hatte seine Liebe zurückgewiesen und einem anderen ihre Gunst geschenkt. Sein verletzter Stolz hatte ihn fast wahnsinnig werden lassen. Fort, nur fort – das war sein erster Impuls gewesen und erst Wochen später, in den Gärten des Husumer Schlosses, war er wieder zu sich gekommen. Um weiterleben zu können, hatte er die Erinnerung an Sophie in den hintersten Winkel seines Kopfes verbannen müssen. Und nun lief er auf den Ort zu, an dem alles begonnen hatte.
Die Pfauen in den Gärten schrien. Wieder verlangsamte Farid seine Schritte. Vielleicht sollte er umkehren? Er blickte sich um. In seinem Rücken verschmolzen die Terrassen mit dem blauen Band der Schlei. Der Anblick war ihm seltsam vertraut und fast meinte er, nach einer langen Reise zu sich selbst zurückzukehren.
Nur noch eine Hecke, wenige Schritte noch, dann hatte er die Stelle erreicht, wo sie in jener Nacht Christian begraben hatten. Plötzlich hatte er das Bild des Sterbenden vor Augen. Im nächsten Moment wollte er unbedingt ein letztes Mal zu seinem Gott sprechen und mit neuem Schwung bog er um das Buschwerk herum.
Unter der Eiche, an Christians Grab, saß Sophie im Gras. Farids Blick fiel auf ihren geraden Rücken. Sie schien ihn nicht gehört zu haben, jedenfalls drehte sie sich nicht nach ihm um. Sein Herz schlug wild und er dachte, dass sie vertraut und fremd zugleich aussah. Dann fiel ihm auf, dass ihr Haar gewachsen war. Sie war nun auch vor aller Welt eine Frau.
Farid stockte, noch könnte er umkehren und wieder hinabsteigen. Noch immer würgte ihn sein verletzter Stolz. Doch etwas zog ihn voran, die Sehnsucht nach ihrem Duft und ihrer Wärme.
»Sophie …« Seine Stimme klang heiser, rostig wie ein verschlissenes Werkzeug. Er räusperte sich. »Sophie …«
Sie hatte ihn tatsächlich nicht gehört. Erschrocken fuhr sie herum.
»Farid …«
Ein zögerliches Lächeln malte sich auf ihr Gesicht, das noch schöner geworden war. Sie schüttelte den Kopf.
»Was machst du hier?«
»Beten – ein letztes Mal.«
Er kniete sich an ihre Seite und legte beide Hände auf die kaum noch sichtbare Erhöhung des Grabes.
»Ich komme oft hierher … allein. Ich spreche mit Christian und ich denke an dich.«
Sophies Stimme verlor sich in der heraufziehenden Dämmerung. Farid beugte sich vor und legte die Stirn auf die kühle Erde. Er dachte, dass er sie immer noch liebte.
»Ich hatte gehofft, dich hier zu sehen.«
Hatte sie ihn vermisst? Farid richtete sich wieder auf. Er blickte sie an, sah ihr in die Augen. Die Wärme darin, vertraut und schmerzlich zugleich, ließ ihn zusammenzucken.
»Warum bist du nicht früher gekommen?«
Während er noch mit seinen Gefühlen kämpfte, begann sie von ihrem Leben zu erzählen. Und von ihrem Sohn. Caspar, so hatte sie ihn genannt. Caspar, der Verwalter der Schätze – ein alter persischer Name. Hatte sie das gewusst?
Behutsam streckte er seine Hand nach ihr aus, strich ihr über die glühenden Wangen.
Vielleicht war alles ein Irrtum gewesen? Und eine zufällige Wandlung, so wie sie bisweilen auch im Tier- und Pflanzenreich vorkam, hatte Caspar sein nordisches Aussehen geschenkt.
»Ich würde ihn gern sehen.«
Sophie nahm seine Hand und führte sie an ihre Lippen. Zart spürte er ihren Kuss auf seiner Lebenslinie. Vielleicht könnten sie wieder zusammenfinden?
»Er ist immer noch blond.«
Sophies Stimme, eine furchtbare Last überlagerte ihre Freude über das Wiedersehen. Tränen quollen aus ihren Augen.
»Er ist nicht dein Sohn, Farid. So sehr ich es mir auch wünsche.«
SECHS
Sophie saß im seitlichen Gestühl unter der Empore der Schlosskapelle – so wie es für die Hofbediensteten
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