Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)
verschwunden war. Er war fort – und sie sehnte sich nach einem Halt.
Plötzlich stockte die Feder auf dem Papier, mitten im Schwung hielt sie still. Sie spürte, wie Bösch sie fragend ansah. Und sie wusste, dass sie nur die Hand ausstrecken und seine Finger berühren müsste, die dort an ihrer Seite ein Tänzchen aufführten. Vielleicht könnten sie gemeinsam den Sternengarten erobern. Doch dann zögerte sie, als fürchtete sie die Glut des anderen.
Über den Winter schritten die Arbeiten am Globus in der Schmiede voran. Und so wie sich die einzelnen Teile der Konstruktion nach und nach zusammenfügten, so wie sich Verstrebungen und Räderwerke ineinander verzahnten und zu einem Kunstwerk wurden, wuchsen der Globusmeister und Sophie immer enger zusammen.
Nach ihrer Genesung tauchte Sophie vollends in das Leben der Globusbauhütte ein. Nun beobachtete sie das Treiben in der Schmiede nicht mehr von einem dunklen Winkel aus, denn Andreas Bösch hatte ihr einen Arbeitstisch an einem der Fenster in der Schmiede eingerichtet, wo sie gemeinsam Olearius’ Skizzen und Vorgaben diskutierten und in maßstabsgerechte Pläne umsetzten. Auch Caspar, der sich unbändig für die Vorgänge in der Schmiede interessierte, erhielt eine eigene Werkbank an der Seite seiner Mutter, die der Globusmeister für ihn aufstellen ließ.
Anfangs hatte Sophie Angst, dass sich der Junge nicht an Böschs strikte Regeln halten würde und wieder in Gefahr geraten könnte.
»Er ist noch so jung«, gab sie Bösch zu bedenken, als dieser ihr stolz das kleine Tischchen mit den winzigen Werkzeugen zeigte. »Er wird sich seine Finger brechen oder an heißem Eisen verbrennen.«
»Wenn er bei dir bleibt, wird ihm nichts geschehen«, schüttelte Bösch den Kopf. Es war Abend, sie standen Seite an Seite, während die Gesellen die Schmiede bereits verlassen hatten. Sachte, fast zärtlich, strich Bösch über einen kleinen Hammer. »So habe ich mein Handwerk erlernt, an der Seite meines Vaters.«
»Caspar hat nie einen Vater kennengelernt.«
Sophie dachte, dass sie nun auf ein Thema zusteuerten, das sie in den zurückliegenden Wochen vermieden hatten. Wie ein gefährliches Gewässer hatten sie jedes private Wort gescheut.
»Das ist also deine Geschichte.«
»Geschichte?« Sophie begriff nicht, worauf der Globusmeister hinauswollte. »Welche Geschichte?«
»Olearius erwähnte einmal so etwas.«
Sophie schüttelte den Kopf. »Es ist nichts, was ich erzählen könnte.« Sie trat einen Schritt zur Seite.
»Sophie, ich wollte dich nicht verletzen. Und ich will dich auch zu nichts drängen.«
Bösch sah sie nun unverwandt an. »Du bist mir wichtig, so kostbar wie nichts anderes. Vor einiger Zeit habe ich Olearius gefragt, ob ich um dich werben dürfte.«
Sophie schluckte, seine Worte waren wie ein Hammerschlag.
»Du müsstest mit einem Geheimnis leben. Mit meinen Dämonen …«
Sophie schloss die Augen, wieder spürte sie die Wärme, die Bösch ausstrahlte. Sein Körper schien sich in der Schmiede mit Energie aufzuladen. Schon einmal hatte sie gedacht, dass etwas Vulkanisches von dem Globusmeister ausging. »Du müsstest mit meinem Geheimnis leben.«
»Es ist Geschichte, Sophie. Vorbei und vergangen. Jetzt – das ist alles, was zählt. Wir haben doch unsere eigene Welt, die Arbeit am Riesenglobus, das große Werk und sein Geheimnis.«
»Und Caspar?«
Sie atmete aus, öffnete die Augen. Bösch hatte ihre Schulter berührt, nun strichen seine Finger sanft über ihren Arm und hinterließen ein Kribbeln auf ihrer Haut.
Könnte es so gehen? Könnte es tatsächlich so einfach sein?
»Du musst mir nicht antworten, Sophie. Noch nicht.«
Sophie nickte, sie konnte nicht sprechen. Eine klebrige Masse, eine Mischung aus Angst und Freude, Rührung und Trauer, saß in ihrem Hals fest. Doch sie konnte ihren Körper antworten lassen. Und endlich, Zoll um Zoll, ließ sie sich von den Gluten des Globusmeisters überrollen.
Es schien, als wäre niemand über ihr Glück überrascht. Olearius kommentierte die Nachricht mit einem freundlichen Nicken, Catharina schloss Sophie in ihre Arme und Caspar bemerkte lediglich erfreut, dass er nun noch mehr Zeit mit dem Globusmeister und in der Werkstatt verbringen könnte.
Nach einigen Wochen, die sich Sophie ausgebeten hatte, um ihre Gefühle für Bösch zu prüfen, zog sie mit ihrem Sohn hinüber in die Bauhütte auf den Hesterberg. Sie wollte nicht heiraten, noch nicht, aber sie wollte bei ihm sein, sich mit ihm
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