Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)
Schweden reisen?«
Sophie versuchte, Olearius von den dunklen Gedanken an einen neuen Krieg abzulenken. Auch sie selbst spürte ein unbehagliches Gefühl zwischen ihren Schulterblättern. Nachdenklich sah sie zu Caspar hinüber, der mit konzentriertem Blick ein Stück Metall bearbeitete, das Bösch ihm überlassen hatte. Wie gut, dass er noch viel zu jung war, um als Soldat in den Krieg zu ziehen.
»Ja, so ist es geplant«, nickte Olearius. »Es werden wohl auch einige Ritter aus den Herzogtümern nach Stockholm reisen. Ich hörte jedenfalls, dass Ritter Rantzau auf Gottorf erwartet wird.«
Christian Rantzau. Für einen Moment verlor Sophie das Gleichgewicht, sie stolperte gegen ihren Zeichentisch. Ein Topf mit roter Farbe geriet ins Wanken und fiel um. Wie Blut ergoss sich das Rot über ihre Zeichnungen.
»Sophie!«
Olearius stieß sie zur Seite. Mit den Händen versuchte er, die Farbe von den Zeichnungen zu wischen. Die weißen Spitzenmanschetten seines Rocks verfärbten sich blutrot. Kopfschüttelnd gab er auf, dann sah er sie an.
»Du wirst noch einmal beginnen müssen. Was ist mit dir?«
Auch Bösch, der den Zwischenfall von seiner Werkbank aus beobachtet hatte, kam dazu. Erschrocken legte er den Arm um sie.
»Ich … Ein Schwindel, ganz plötzlich.«
Sophie lehnte sich gegen Bösch, sie spürte den Hitzestrom seines Körpers, etwas Helles, Tröstliches.
»Setz dich.«
Bösch hob sie einfach auf den Zeichentisch, er scherte sich nicht darum, dass die Farbe ihre Röcke beschmutzte. Fürsorglich schickte er Caspar nach einem Becher Wein.
Olearius stieß einen erleichterten Seufzer aus, dann wechselte er einen verständnisvollen Blick mit dem Globusmeister.
Schwanger, dachte Sophie. Er denkt, ich bin schwanger. Sie sah auf ihren Rock, der sich rot eingefärbt hatte. Tatsächlich war sie schon einmal guter Hoffnung gewesen. Doch dann war das Kind, ihr gemeinsames Kind, in einem Schwall aus Schleim und Blut fortgespült worden.
Nein, sie war nicht schwanger. Es war die Angst, die sie wie eine Keule getroffen hatte. Die Angst vor einer Begegnung mit Ritter Rantzau. Die Angst, die sich wieder in ihr Leben schlich.
Als Caspar mit dem Wein zurückkehrte, zog sie ihn an sich und küsste sein Haar. Sie spürte, dass ihre Augen in Tränen schwammen.
Die Wochen bis zur Ankunft Ritter Rantzaus auf Gottorf vergingen in zähem Ringen mit der Furcht. Nach dem ersten Schock hatte Sophie versucht, die Dinge nüchtern zu durchdenken.
Schwebte sie tatsächlich in Gefahr? Und, schlimmer noch, was war mit Caspar?
Ritter Rantzau würde nur ein oder zwei Tage auf Gottorf bleiben und dann gemeinsam mit der herzoglichen Familie und Kanzler Kielmann mit einem Schiff nach Stockholm weiterreisen. Ein Bankett war geplant, ein Besuch in den Gärten, vielleicht auch im Globushaus, das inzwischen fertiggestellt war. Auch der Rohbau des Riesenglobus, seine Achse und die Kugelschale, waren im Globussaal montiert. Olearius hatte schon einigen Gästen die Architektur und ihren zukünftigen Schatz, den Riesenglobus, erläutern müssen. Friedrich III . liebte es, Besucher mit den Kostbarkeiten des Neuen Werks zu beeindrucken. Gewiss führte der Herzog den Ritter hinauf in die Neuwerk-Terrassen. Doch bis in die Schmiedewerkstatt auf dem Hesterberg würden die hohen Herren nicht kommen. Die Werkstatt war ihre Burg, dort wäre sie sicher.
Und auch Caspar drohte keine Gefahr, wenn er nur an ihrer Seite bliebe und nicht allein in den Gärten umherstreifte. Sie müsste gut auf ihn aufpassen.
Die Sorge wich nicht von Sophie, doch sie meinte, die Bedrohung einschätzen zu können. Sie erschien ihr nun beherrschbar und nicht länger wie eine unabwendbare Katastrophe.
Mit Bösch über Ritter Rantzau zu sprechen, so wie sie es in einer nächtlichen Stunde erwogen hatte, verwarf sie wieder.
SECHS
Seit einigen Jahren schon war Christian Rantzau mit königlich-dänischen Belangen beschäftigt. Nach seiner Erhebung in den Reichsgrafenstand, die Kaiser Ferdinand III . höchstpersönlich in Wien vorgenommen hatte, war ihm im Namen des dänischen Königs auch die kaiserliche Belehnung mit Holstein übertragen worden. Er war nun ein hoher Herr, größer und mächtiger noch, als es einer seiner Vorfahren je gewesen war. Das Geschlecht der Rantzaus war wieder erstarkt, seine Erben könnten einst stolz auf sein Wirken zurückblicken. Als ein weiteres, weithin sichtbares Zeichen seines Erfolges entstand auf den neuen Besitzungen bei Barmstedt ein
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