Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)
Rantzausche Garten lag, auch heute noch, zusammen mit den Überresten des Wirtschaftshofs östlich des Burggrabens und war von einem hohen Zaun umgeben. Obwohl im Krieg verwüstet und geplündert, konnte man in seiner Mitte noch die quadratischen Beete erahnen. Im Süden lagen zwei kanalartige Fischbassins – unterbrochen von Dämmen und Brücken –, in deren Mitte sich ein abgelegenes Gartenhaus befunden hatte. Ein Ort von ungeheurer Anziehungskraft für einen waghalsigen Jungen.
Östlich davon befanden sich die Spaliere und Pflanzungen des Gemüsegartens, der inzwischen wieder leidlich zu nutzen war. Der westliche Bereich der Anlage, ein Obstgarten, wurde durch umzäunte Baumquartiere und Laubengänge gestaltet. In Christians Kindheit hatten verschiedene Statuen, die als Wächter dienten, den Garten geschmückt. Er erinnerte sich an Venus, Mars, Diana, Merkur und Jupiter, außerdem an zwei Knaben aus Blei sowie Allegorien der vier Jahreszeiten und der vier Elemente aus Holz, doch die Skulpturen waren im Durcheinander des Krieges verschwunden.
Ebenso wie das Neue Werk war auch der Rantzausche Garten als Ort der Erholung, Unterhaltung und Belehrung genutzt worden. Christian Rantzau dachte, dass seine Familie schon vieles von dem vorweggenommen hatte, was Herzog Friedrich nun für Schloss Gottorf plante.
Rantzau stützte seinen schweren Kopf in seine Hände. Der Wein beschwerte seine Gedanken. Würde es ihm gelingen, so fragte er sich, Schloss und Garten wieder in den alten Zustand zu versetzen? Viel Zeit und noch mehr Geld wären nötig, um das Ziel zu erreichen. Geld, das der Herzog sich für seinen Garten holen würde. Noch einmal griff er zu seinem Pokal, der sich wie von Zauberhand neu gefüllt hatte, und leerte ihn in einem Zug.
Groll wallte in ihm auf. Wie in weiter Ferne sah er Herzog Friedrich an seinem Ehrentisch sitzen, daneben bemerkte er einen Mann, der ihm unbekannt war. Der Herzog redete eindringlich auf den Fremden ein.
»Wer ist der Kerl?«
Rüde stieß er Pogwisch in die Seite, der ebenso betrunken schien wie er selbst.
»Der Mathe … Mathematicus … Oleander, nein, Olearius ist sein Name …« Schwer rollten Pogwisch die Worte über die Zunge. »Sollen was Neues planen, hört man. Der Kanzler …«, er suchte nach Worten und wedelte mit den Armen, wobei er seinen Becher umstieß. Roter Wein ergoss sich über seinen Schoß, doch das störte ihn nicht. »Der Kanzler murrt schon … Will die Geldtruhen nicht öffnen …«
Rantzau schüttelte trunken den Kopf, das Haar fiel ihm schweißnass in die Stirn. Sogar der Kanzler war nicht einverstanden. Und da sollte er sein Vermögen Herzog und König in den Rachen schmeißen, um deren Macht und Größe zu mehren? Niemand kann mich zwingen, dachte Christian Rantzau, während das Geschehen um ihn herum in einem Nebel verschwand. Niemand kann mich zwingen …
Für einen Moment verspürte er den Impuls, über die Tische zu springen, um sich auf den Herzog zu stürzen und diesen mit einem gewaltigen Streich zu enthaupten. Schon sah er das Blut aus dem herzoglichen Rumpf sprudeln, die Ströme glichen den Fontänen des Herkulesbrunnens, und Rantzau lachte über die vergnügliche Absurdität seiner Fantasie.
Dann blitzte ein anderer Gedanke in ihm auf. Wieder dachte er daran, Unruhe in den Herzogtümern zu schüren. Doch wem könnte ich vertrauen, fragte er sich, und sein berauschter Blick tastete sich über die Gesichter der Ritter. Wer ist unerschrocken – so wie ich? Von der Wisch? Ahlefeldt? Blome? Wer wäre kaltblütig genug, unschuldiges Leben für das höhere Ziel zu opfern? Er fand keine Antwort, doch er wusste, er würde nicht mehr lange stillhalten können. Er würde sich nicht länger demütigen lassen.
Als Christian Rantzau den Gartenpavillon verließ, mussten seine Männer ihn stützen. Schwankend und fluchend ließ er sich hinunter zum Schloss führen, wo er lautstark verlangte, man möge ihn im Stall bei den Ochsen schlafen lassen.
VIERZEHN
Die Männer kehrten am Abend zurück. Sie hatten getrunken, stöhnend ließen sie sich ins Stroh fallen. Der Dunst von Alkohol und raubeiniger Männlichkeit schwappte zu ihm herüber und überlagerte für einen Moment alle tierischen Gerüche. Christian tat so, als ob er schliefe. Nach einer Weile hörte der Junge die tiefen, regelmäßigen Atemzüge des Ritters und seines Gefolges, die Männer waren eingeschlafen.
Vorsichtig richtete der Junge sich auf und streckte sich. Er hatte sich den ganzen
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