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Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Burseg
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Tag zwischen den Ochsen versteckt, die Tiere ruhten sich nach der anstrengenden Trift aus. Die warmen Körper, ihre im Rhythmus der Atemzüge auf und ab schaukelnden Flanken und die vertrauten Geräusche hatten seine wirbelnden Gedanken beruhigt. Die Erstarrung, der Schrecken fielen von ihm ab.
    Jetzt spürte er, dass sein Magen knurrte und Durst ihn quälte. Wie lange hatte er nicht mehr gegessen und getrunken? Vorsichtig sah Christian sich um. In der Dunkelheit, die nun eingesetzt hatte, konnte er nur Schatten und Umrisse erkennen.
    Unterwegs hatte er gedacht, dass sie auf Schleswig zuritten. Doch Christian hatte nicht gewagt, den Kopf zu heben und sich umzublicken. Aus den Augenwinkeln hatte er die Silhouette der Stadt wahrgenommen, die sich im Spiegel der Schlei brach und dann hatte er das Wasser der Ostsee gerochen – Salz und Schlick.
    Doch sie waren nicht in die Stadt eingezogen, über Brücken, durch eine Allee und über einen gepflasterten Platz hatten sie Schloss Gottorf erreicht. Dort hatte man die Ochsen in einen Stall getrieben und ihn gemeinsam mit den Tieren in einen Verschlag gesperrt.
    Sein Magen schmerzte, er musste etwas zu essen finden. Vorsichtig tastete Christian sich durch die schlafenden Männer, bis seine Hände gegen das Schloss des Verschlags stießen. Er rüttelte daran und schrak zurück, als die metallische Schließe wie ein Fensterladen im Wind klapperte. Sie war offen, die Männer hatten in ihrem Suff vergessen, den Riegel zu schließen. Noch einmal, mit etwas weniger Druck – und er hatte Glück: Das Tor sprang auf und er glitt hinaus.
    Schon bei der Ankunft hatte Christian bemerkt, dass die Stallungen riesig waren. Wohl mehr als dreißig Pferdeboxen säumten die Längsseite, die Verschläge für Rinder und Milchvieh lagen gegenüber. Die meisten Koben waren leer, die Tiere befanden sich wohl auf der Sommerweide. Kein Mensch war zu sehen. Wie ein Schatten huschte Christian durch den breiten Mittelgang.
    Wo war die Futterkammer? Er wollte sich die Taschen mit Getreide vollstopfen und danach verschwinden. Am Ende des Gangs drang das letzte Licht durch die Ritzen des hölzernen Tors. Eine schmale Tür führte in einen abgetrennten Raum. Sattelkammer oder Futtervorrat? Mit klopfendem Herzen öffnete Christian die Tür – und erstarrte. Über Säcken und Heuballen hing ein lebloser Körper.
    Noch ein Toter? Entsetzt taumelte Christian zurück. Fort, nur fort! Wo war das Tor, das ihn auf den Hofplatz und in die Freiheit führte? Dann ein Geräusch, ein tiefes, fast unmenschliches Grollen, das in einem schrillen Pfeifton endete. Der Leblose schnarchte. Christian atmete aus. Offenbar schlief hier noch jemand seinen Rausch aus.
    Vor Erleichterung sank er in die Knie. Am Nachmittag hatte Christian das Krachen eines Feuerwerks gehört, Jubel und Applaus waren bis in die Ställe zu hören gewesen. Ein Fest also – auch die Knechte und Burschen hatten sich an Bier und Wein laben dürfen.
    Behutsam und auf Zehenspitzen schlich Christian wieder in die Kammer und öffnete einen der Tröge. Gequetschter Hafer, trocken und nach Sommer duftend, lagerte in der hölzernen Kiste. Gierig stopfte er sich eine Handvoll davon in den Mund und begann darauf herumzukauen.
    Das Korn schmeckte besser, als er erwartet hatte. Wieder tauchte Christian die Hände in die kühle Masse und schaufelte Hafer in die Taschen seiner Hosen.
    In der rechten Tasche stieß er auf den metallischen Klumpen, den er bei seinem toten Vater gefunden hatte.
    Vater … Die Gedanken an den Überfall auf der Heide waren zurück und mit ihnen Trauer und Verzweiflung.
    Wie sollte er Sophie gegenübertreten?
    »Komm zurück, und bring den Vater mit!« Wie ein Befehl hallte ihre Stimme in seinem Kopf. Doch der Vater war tot und seine Asche hatten die Männer zuletzt johlend auf der Heide verstreut. Christian dachte, dass er nicht mit leeren Händen zurückkehren könnte. Nicht mehr als ein Klumpen geschmolzenen Metalls war ihnen geblieben. Und seine Gedanken eilten weiter voraus: Was sollte aus ihnen werden? Zwei Kinder und ein Säugling – drei hungrige Mäuler, die es zu stopfen galt. Wer würde sich ihrer annehmen wollen, so hart wie die Zeiten waren?
    Mit prall gefüllten Hosentaschen schlich Christian zurück in den Mittelgang des Stalls und schloss die Tür zur Kornkammer. Seine Gedanken überschlugen sich. Dort hinten schliefen die Männer, die für den Tod der Treiber verantwortlich waren. Er wusste nicht, wer von ihnen seinen

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