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Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Burseg
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Kraft für dein neues Leben, iss dich satt.«
    Sophie lachte und schluchzte und sie drückte Melissa an sich, die nach ihren Haaren griff und versuchte, daran zu saugen.
    Als Sophie früh am nächsten Morgen Richtung Gottorf aufbrach, ließ sie ihre Kindheit hinter sich. Noch in der Nacht, bevor sie in einen kurzen, traumlosen Schlaf gesunken war, hatte sie ihren Zopf abgeschnitten und Melissa in die Wiege gelegt. Sie trug die Kleider ihres Bruders und ihre Taschen waren mit einem Stück gebratenem Kaninchen, einer stärkenden Kräutermischung, wenigen Münzen und einem Amulett gefüllt.
    Die Formel, in eine kleine, mehrfach gefaltete Bleitafel eingeritzt, habe eine starke Wirkung, hatte Johanna ihr das kostbare Geschenk erklärt. »Es ist ein magisches Quadrat, das in alle Richtungen gelesen werden kann. Der Bannspruch wendet sich gegen Satan und seine Helfer, die Dämonen und Elfen.« Dann hatte sie die fremden Worte laut vorgelesen und ihre Hände schützend über Sophies Körper gleiten lassen: »Sator arepo tenet opera rotas.«
    Wer das Mädchen sah, dachte, dass sich ein junger Bursche auf den Weg zu seinem Lehrherrn machte. Und wäre Sophie einem der alten Nachbarn vom Lollfuß begegnet, so hätte dieser sicher geschworen, der junge Treiber Christian sei von den Toten auferstanden.

Anno 1641
EINS
    Das Tier bockte und buckelte wie ein Wildfang. Christian sah seine weit aufgerissenen Augen, die angespannten Muskeln unter dem dunkel glänzenden Fell, die geblähten Nüstern. Er spürte die Angst des Pferdes geradezu körperlich, sein Herz begann zu rasen.
    »Los, Oss!«
    Die Stimmen der anderen, sie trieben ihn an. Jemand klopfte ihm aufmunternd auf die Schultern, ein zweiter half ihm über den Zaun. Im nächsten Moment stand er schon vor dem gewaltigen Tier und für einen winzigen Augenblick dachte er, der Wallach könnte ihn mit einem einzigen Tritt seiner Hufe zermalmen. Panik schnürte Christian die Kehle zu und er stolperte einige Schritte zurück. Wie sollte er diese wilde Kreatur bändigen, die wie ein schäumender Wellenberg vor ihm aufragte? Das Pferd war kein schwerfälliger Ochse, den er mit Blicken und leisen Kommandos führen konnte. Horatio, so der Name des Rappen aus Oldenburger Zucht, hatte Ritter Rantzau ein Vermögen gekostet und war trotzdem nicht zu reiten. Drei Knechte hatten bislang vergeblich versucht, das junge Tier aufzuzäumen und zu satteln. Die Burschen hatten mit Knochenbrüchen, Quetschungen und ausgeschlagenen Zähnen für ihren Wagemut bezahlt.
    »Komm schon, Oss!«
    In seinem Rücken scharrten die Reitknechte ungeduldig mit den Stiefeln im Sand. Sie schwitzten in der Mittagssonne, die nun fast senkrecht über ihnen stand. Christian wandte sich nicht um, doch er konnte an den Reaktionen des Pferdes ablesen, dass die Männer das Tier mit wilden Armbewegungen reizten. Nervös tänzelte es auf und ab, die Ohren zuckten und sein hoch angesetzter Schweif schlug hin und her. Als die Knechte »ho, ho« riefen, begann das Pferd in wildem Galopp im Kreis zu laufen.
    Horatios Bewegungen waren vollkommen. Fast schien es Christian, als folgte er einer geheimen Melodie. Seine Galoppsprünge waren leicht und trotzdem raumgreifend, der gestreckte Körper, der lange, kräftige Hals und das vollkommene Profil verliehen dem Wallach die Anmut eines leidenschaftlichen Tänzers. Christian verstand, warum Ritter Rantzau das Tier gekauft hatte. Es war die Gier gewesen, dieses vollkommene Wesen zu unterwerfen.
    Plötzlich spürte er einen Stoß von hinten gegen die Schultern und erschrocken taumelte er in die Mitte des Sattelplatzes. Der Staub des aufgewirbelten Sandes kitzelte in seiner Nase.
    »Wir haben dich nicht geholt, damit du dir die Sonne auf den Pelz brennen lässt. Los, mach schon! Zeig uns, was du kannst!«
    Das Pferd galoppierte unbeirrt auf seiner Bahn. Christian stand still und versuchte, seinen Atem zu beruhigen.
    »Es sind Fluchttiere«, hörte er plötzlich eine vertraute Stimme an seinem Ohr. »Das Tier sucht den Schutz seiner Herde.«
    Die Stimme seines Vaters … Christian spürte einen Schmerz, der sich quer durch seinen Körper zog. Es war wie ein Hieb mit einem Degen, der die Haut über dem Brustbein aufschlitzte und dann über den Knochen schrammte. Unwillkürlich griff er nach seinem Herz, das ihm aus der Brust springen wollte. Seit dem Überfall auf der Heide hatten ihn diese Attacken immer wieder bedrängt und jedes Mal dachte er, dass der Schmerz ihn in die Knie zwingen

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