Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)
böse. Du musst deinem Reiter vertrauen können.«
Sattel und Zaumzeug hingen über dem Gatter. Vorsichtig und mit sanften, fließenden Bewegungen schob er dem Tier die Trense ins Maul, dann befestigte er das Halfter am Kopf. Horatio zuckte zurück, aber er lehnte sich nicht auf. Nach einer Runde um den Sattelplatz hatte er das Zaumzeug angenommen und Christian legte den Sattel auf. Wieder zuckte das Pferd zurück und wieder ließ er dem Tier Zeit, sich an das fremde Gewicht zu gewöhnen. Nach einigen Runden um den Platz schwang Christian sich in den Sattel. Horatio tänzelte einige Schritte zur Seite, bäumte sich jedoch nicht auf. Mit sanftem Druck in die Flanken trieb Christian das Pferd in einen leichten Trab, schließlich wechselte er in den Galopp.
Das Tier schien die Übung zu genießen. Christian spürte, dass sein Körper sich in vollkommener Harmonie mit dem Pferd bewegte. Auf und ab, auf und ab – wie das Wellenspiel der See. Es war, als ob sich Ross und Reiter gefunden hätten. Mit Bedauern zügelte er den Wallach schließlich in den Stand, dann ließ er sich von seinem Rücken gleiten. Nach einem letzten Klopfen gegen die Brust des Pferdes übergab Christian die Zügel an einen der Reitburschen und verließ den Platz.
Sprachloses Staunen begleitete seinen Weg durch die Menge, er blickte in verblüffte Gesichter. Sein Herz war schwerelos. Für einen Moment fühlte er sich groß und bedeutend, der Schmerz war nicht mehr als eine Ahnung. Er atmete tief ein und aus. War er gewachsen?
Ein Lichtstrahl, wie ein Blitz, traf plötzlich seinen Blick. Ganz am Ende des Platzes, wo sich Stallungen und Hofgebäude aus dunklem Backstein vor dem weiten Himmel abzeichneten, sah Christian eine Gestalt, die sich aus dem Schatten eines Mauervorsprungs löste. Offenbar spiegelte sich die Sonne in der Waffe am Gürtel.
Wieder tat sein Herz einen Sprung und das Hochgefühl, das ihn eben noch fast hatte schweben lassen, löste sich auf. Der Mann kam auf ihn zu, und während die anderen zurückwichen, spürte Christian wieder den Riss, der sich durch seinen Körper zog. Knochen und Fleisch rieben gegeneinander und der Schmerz war unbeschreiblich.
Ritter Rantzau … Christian hatte ihn seit einigen Wochen nicht gesehen, der Gutsherr war in den Herzogtümern unterwegs gewesen. Und dennoch stand ihm sein Bild täglich vor Augen. Auf der Baustelle der Breitenburg prangte das Rantzausche Stammwappen über Toren und Portalen. Ständig sah er auf das Schild mit dem Helm und den beiden Büffelhörnern, so wie es auch in den Sporn geprägt war, den er auf der Heide gefunden hatte. Das Zeichen der Mörderbande!
Christian keuchte, er senkte den Kopf, um dem Blick des Teufels auszuweichen. Auch auf seinen Ländereien war Ritter Rantzau gefürchtet. Dem Gutsherrn oblag die hohe Gerichtsbarkeit über die Bauern, das Recht über Hals und Hand. Am nächtlichen Feuer hatte Christian von Rantzaus Willkür erfahren. Das Leben der Unfreien war elend, von Hunger und Not geprägt, doch niemand wagte, sich gegen den Herrn zu erheben. »Wer sich gegen Ritter Rantzau stellt, ist verloren«, raunte das Gesinde.
Einmal, kurz nachdem man ihn auf die Breitenburg gebracht hatte, war Christian Zeuge geworden, wie Rantzau einen Bauernjungen auspeitschen ließ. Das Kind hatte ein Kaninchen im Schlossgarten gefangen und einer der Schergen aus Rantzaus Gefolge hatte den Diebstahl seinem Herrn gemeldet. Noch immer hallten die Schmerzensschreie des Jungen in seiner Erinnerung wider, er sah die Striemen, die Haut, die sich vom Rücken schälte. Die offenen Wunden hatten wenig später zu schwären begonnen. Obwohl man das Kind mit einem Wickel aus Kuhdung verarztet hatte, war es schließlich an einem hohen Fieber gestorben.
Nein, schoss es Christian durch den Kopf, nicht Fürsorge und Gerechtigkeit zeichneten die Herrschaft des Gutsherrn aus, sondern Rücksichtslosigkeit und Gewalt gegen seine Untergebenen. Christian Rantzau verstand seine Macht als Recht des Stärkeren gegenüber dem niederen Volk und in den dunklen Hütten und Katen der Gutsbauern herrschten Furcht und stillschweigendes Dulden.
Doch es gab keinen Ausweg. Als Christian den Ritter mit weichen Knien passierte, packte der Gutsherr ihn und zog ihn mit eiserner Hand zu sich. »Wie hast du das gemacht, Oss?«, drang Rantzaus Stimme durch das Bollwerk seiner Angst. »Wie machst du das?«
Christian hob den Blick. Er sah in Rantzaus glitzernde Augen und für einen Moment schien der eine die
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