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Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Burseg
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würde. Die Mörderbande hatte auch sein Leben in Stücke gerissen. Nichts war mehr ganz in seinem Innersten, sein Körper schien in zwei Teile zerrissen und die Wunde eiterte und wollte nicht vernarben.
    Tagsüber lenkte ihn die Arbeit mit den Tieren von seinem Unglück ab, doch die Nächte waren furchtbar. Immer wieder suchte Christian Trost in einem kräftigen Schluck aus den Rumflaschen, die um das Feuer kreisten, um den Wahnsinn und die Erinnerungen zu betäuben.
    Die anderen akzeptierten sein Schweigen und seine nach innen gekehrte Art. Nachdem er im Gefolge des Ritters auf die Breitenburg gelangt war, hatten die Knechte schnell bemerkt, dass er den Tieren seinen Willen einflüstern konnte. Tatsächlich folgten die Ochsen Christians Befehlen verlässlich, und selbst das störrischste Vieh verwandelte sich unter seiner Hand in ein folgsames Geschöpf. Doch Christian hatte seine Kunst bislang nur an den Ochsen erproben können. Die Rinder schienen seine Sprache, eine Abfolge sanfter Laute und beruhigender Gesten, zu verstehen, weshalb man ihn auf der Breitenburg mit dem Namen »Oss« rief. Sein furchtloser Umgang mit der Herde hatte den Knechten sogar ein wenig Respekt eingeflößt. Nie hatte ihn jemand dazu gedrängt zu erzählen, wo Ritter Rantzau ihn aufgelesen hatte. Und nie fragte man, welchem Dämon er in seinen nächtlichen Albträumen begegnete, die ihn schreiend aus dem Schlaf schrecken ließen.
    Nur ein Mal, am Anfang, hatten Rantzaus Arbeiter ihn mit Pferdeäpfeln beworfen und johlend in den Burggraben getrieben. Doch als er flink und prustend, so wie er es an der Schlei gelernt hatte, wieder an Land geschwommen war, hatten sie den Fremden als einen der ihren auf Schloss Breitenburg akzeptiert. Sie hatten begriffen, dass dieser Oss ein zäher und ausdauernder Bursche war.
    »Du musst dir sein Vertrauen erwerben …« Die Stimme, wieder wisperte sie etwas in sein Ohr. Christian löste seinen Blick von dem galoppierenden Pferd und senkte den Kopf. Gehorsam folgte er den Anweisungen des Vaters, die Erfahrung eines langen Treiberlebens schwang darin: »Pferde ordnen sich nur dem Leittier unter, das ihm Sicherheit bieten kann.«
    Christian nickte, vorsichtig wandte er sich von Horatio ab und ging auf die andere Seite des eingezäunten Sattelplatzes – weg von den Gaffern und Schaulustigen. Aus dem Augenwinkel heraus beobachtete er das Pferd, das immer noch im Kreis galoppierte. Nach einer Weile drosselte das Tier sein Tempo. Christian hielt den Atem an. Auch die anderen bemerkten, dass sich etwas verändert hatte. Abwartend senkten sie die Stimmen, Stille legte sich über den Platz.
    Nach einer Weile blieb das Pferd unvermittelt stehen. Unsicher und gleichzeitig neugierig, kam es langsam von hinten auf Christian zu. Er spürte den Atem des Tieres in seinem Nacken. Lächelnd begann er zu flüstern, ein Kinderlied, das ihm in den Sinn kam:

    »Die helle Sonn’ leucht’t jetzt herfür,
    fröhlich vom Schlaf aufstehn wir.
    Gott Lob, der uns heut’ diese Nacht
    behüt’t hat vor des Teufels Macht.«

    Der Wallach schnaubte leise, er hatte sich nicht bewegt. Vorsichtig drehte Christian sich zu ihm um und ohne den Blick zu heben, rieb er ihm sanft die Stirn. Wieder spürte er etwas, das er auch in Gegenwart der Ochsen bemerkte. Es war, als ob er ein Band zwischen sich und dem Tier knüpfen könnte. »Das Pferd muss begreifen, dass ihm deine Nähe Sicherheit gibt«, wisperte die Stimme in seinem Kopf.
    Die Zeit schien stillzustehen, für einen Augenblick gab es nur Christian und das Pferd, das sein Haupt nun gegen seine Schulter lehnte. Ein Glücksgefühl durchströmte ihn und er schloss die Augen. Es war so still, dass er die Fliegen über den Sattelplatz summen hörte. Alle seine Gedanken waren leicht. Auf Zehenspitzen trippelten sie davon.
    Es dauerte eine Weile, bis sich die Welt wieder in sein Bewusstsein schlich. Christian hörte die Stimmen der Burschen, das Scharren der Stiefel im Sand. Er öffnete die Augen.
    Christian spürte, dass Horatio ihm nun vertrauen würde. »Komm«, flüsterte er und ging einige Schritte zur Seite. Das Pferd folgte ihm. Christian änderte die Richtung und ging auf die Burschen zu, die auf der anderen Seite des Platzes hinter dem Zaun warteten. Wieder folgte das Tier. Christian sah, dass die Reitknechte ihnen ungläubig hinterherblickten. »Sie denken, dass ich zaubern kann«, flüsterte er dem Pferd zu. »Dabei kann ich dich nur verstehen. Du hast Angst, aber du bist nicht

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