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Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Burseg
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galt die wenig ansehnliche Pflanze als eines der Prunkstücke in der herzoglichen Sammlung. Die Gärten Italiens und Spaniens hatte das Wüstengewächs bereits erobert, Johannes Clodius Friedrichs hatte sie jedoch erstmals über die Alpen in den Norden entführt.
    »Sie blüht nur alle dreißig bis sechzig Jahre«, hörte Sophie ihn soeben erklären, während er auf einen unscheinbaren Trieb wies, den sie schon am frühen Morgen entdeckt hatte. »Das ist eine botanische Sensation.«
    Der Herzog, fasziniert, beugte sich über die Agave und tastete nach dem Trieb.
    »Vorsicht, Durchlaucht«, mahnte der Gartenmeister, er konnte die Aufregung in seiner Stimme nur schwer verbergen. »Die Agave wird auch als hundertjährige Aloe bezeichnet. Die Blüte ist imposant, sechs bis zwölf Ellen hoch soll der Blütenstand reichen.«
    »Wir werden eine Festschrift zu diesem denkwürdigen Ereignis veröffentlichen.« Der Herzog nickte Olearius zu, der sich etwas auf einem Bogen Papier notierte. Dann reichte er das Blatt seiner Frau. Sophie unterdrückte ein Lächeln. Flieder hatte ihr erzählt, dass der Mathematicus seiner Frau die weniger wichtigen Aufgaben übertrug.
    »Man könnte den blühenden Strauch ausstellen und ein Eintrittsgeld verlangen«, sagte der Kanzler. Sophie sah, dass er an die Agave herantrat und ihre Dornen prüfte. »Wie lange dauert es noch bis zur Blüte?«
    Friedrichs zuckte mit den Achseln. »Ich selbst habe noch nie eine Blüte erlebt. In der Literatur liest man, dass es noch einige Wochen dauern kann.«
    »Und wie lange wird sie blühen?«
    Wieder schüttelte der Hofgärtner den Kopf. »Sie blüht, solange sie blüht. Und danach stirbt sie ab.«
    Der Kanzler ließ ein unwilliges Schnauben hören, während der Herzog die Augenbrauen in die Höhe zog. Allein Olearius schien nicht überrascht.
    »Auf dem Höhepunkt ihres Lebenskreises muss sie sterben?« Herzog Friedrich war bewegt, mit den Händen fuhr er sich über das Gesicht, als müsste er einen dunklen Gedanken aus seinem Kopf tilgen. »Kann man die Agave nicht doch retten?«
    »Mir ist keine Möglichkeit bekannt. Die Pflanze stirbt, nachdem sie sich Gott zu Ehren in ihr schönstes Gewand gekleidet hat.«
    »Triumph und Tragödie zugleich …« Der Herzog schien noch immer nicht begreifen zu wollen, dass sich die Pflanze seinem Einfluss und seiner Macht entzog. »Wir müssen also eine neue Agave aus Italien kommen lassen?«
    »Nein, nein, das wird nicht nötig sein.« Hofgärtner Friedrichs hatte Sophie im Eingang entdeckt. Er winkte sie an seine Seite und sie folgte seiner Aufforderung mit bangem Herzklopfen. »Die Agave bildet Tochterpflanzen, wir werden die Rosetten vorsichtig abtrennen und umpflanzen. Sophian wird sich darum kümmern.« Er schob Sophie in den Kreis der Männer. Olearius nickte ihr aufmunternd zu.
    »Ein Gartenjunge?« Kanzler Kielmanns Stimme flatterte empört. »Nicht wenigstens ein Geselle? Was ist wenn …«
    »Sophian hat die Zitronen- und Orangenbäumchen durch den Winter gebracht«, unterbrach Friedrichs den Kanzler. »Er hat ein natürliches Gespür für Pflanzen, eine wunderbare Gabe. Ich meine, dass er derzeit mein bester Schüler ist.«
    Die Worte des Gartenmeisters trafen Sophie wie ein Blitz. Noch nie hatte der Meister so von ihr gesprochen. Heiß und kalt durchströmten Freude und Stolz ihren Körper. Sie bemerkte, dass sie unter dem forschenden Blick des Herzogs errötete.
    »Dann sei es so!« Herzog Friedrich wandte sich ab. »Ich erwarte täglich Meldung«, hörte Sophie ihn noch sagen, dann war er fort. Draußen schrien die Pfauen, die den ersten Frühlingstag in den Gärten genossen.

ZWEI
    Die Zeichnungen waren ganz nach der Natur geraten. Sophie bewunderte den feinen Strich, die Farben und das Wechselspiel von Licht und Schatten, die jedes Detail hervorhoben.
    Catharina Olearius verstand es, die blühende Agave auf dem Papier ein zweites Mal zum Leben zu erwecken. In den vergangenen Wochen hatte sie das Fortschreiten der Blüte jeden Tag beschrieben und mit einigen erläuternden Skizzen versehen. Auf Anweisung ihres Mannes hatte sie sogar den Blütenstand vermessen und dazu Temperatur und Sonnenscheindauer notiert. Im Schnitt war der Blütentrieb jeden Tag um zwei bis drei Zoll gewachsen, unter einem wolkenlosen Himmel streckte er sich sogar noch etwas forscher in die Höhe. Bald würde die Blüte den stattlichen Hofgärtner Friedrichs überragen.
    Inzwischen war es Mai geworden, und die Agave hatte die hellen

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