Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)
könnte.
FÜNFZEHN
Der Sommer kündigte sich mit heißen Winden und Trockenheit an. Nach vielen Jahren, die kälter und feuchter gewesen waren, brannte die Sonne unbarmherzig von einem tiefblauen Himmel herab. Seit Wochen hatte es nicht mehr geregnet, die Erde war rissig, grauer Staub hatte sich auf die Hecken gelegt. In den Beeten verdorrten die Setzlinge. Die Arbeit der Gartenjungen bestand nur noch darin, die Pflanzen vor dem Vertrocknen zu bewahren. Stundenlang liefen sie mit Eimern und Kannen bewaffnet durchs Gelände, um Hecken und Beete zu wässern. Provisorische Gräben führten das Wasser aus den Wasserläufen und Fontänen kreuz und quer durch die Gärten. Wieder schritt die Arbeit am Neuen Werk nicht voran und mehr denn je glichen die Terrassen einem Provisorium.
Die Hitze veränderte auch den Tageslauf der Gärtner. Um die morgendliche Kühle zu nutzen, ließ Hofgärtner Friedrichs seine Mannschaft bereits um vier Uhr früh antreten. Über die Mittagszeit verordnete er den Burschen eine Pause, so wie er es in Italien gelernt hatte. Dafür war die Arbeitszeit bis weit in den Abend hinein verlängert worden. Doch die Gartenjungen murrten nicht, sie genossen die ungewohnte Freiheit in der Tagesmitte. Wenn die Sonne im Zenit stand, stürzten sie sich in die Schlei oder sie ruhten sich im Schatten der Bäume aus.
Sophie hielt sich meist in der Nähe des Herkulesbrunnens auf. Sie hatte ihre Haare wieder kürzer geschnitten und Farid hatte ihr versichert, dass niemand das Mädchen in ihr sehen würde. Trotzdem wagte sie nicht, mit den anderen ans Wasser zu laufen. Sie fürchtete einen Streich der Gartenjungen – dass man sie etwa übermütig in die Schlei zerren könnte und das nasse, am Körper haftende Hemd ihre Identität verriet. Und dann? Sie fürchtete nichts mehr als die Gärtnerlehre abbrechen zu müssen. Das herzogliche Gartenreich war doch ihr Leben.
Der Herkules schien an diesem Tag unter der Hitze zu leiden. Seine Fontänen sprudelten weniger kraftvoll als gewöhnlich, die Trockenheit hatte den Wasserdruck in den Pipenbäumen absinken lassen. In der senkrecht stehenden Mittagssonne wirkte es so, als neige er sein Haupt, als suche auch er Schutz vor ihren sengenden Strahlen.
Auch der Wasserstand im Brunnenbecken war gesunken. Sophie tauchte die Hände in das Nass und spritzte sich Wasser ins Gesicht. Dann fuhr sie sich mit den nassen Händen durch das Haar. Die kurzen Strähnen kitzelten und sie fragte sich, ob sie jemals wieder langes Haar tragen würde. Bisweilen beneidete sie Catharina Olearius, deren lange, dunkle Flechten in der Sonne glänzten. Auch die Zöpfe ihrer Schwester erinnerten sie schmerzlich an ihr früheres Leben.
Sophie setzte sich auf den Beckenrand und tauchte die Füße ein. Das Brunnenwasser war samtig und kühl, sie beobachtete die Spiegelungen und Reflexionen des Wassers. Vom Beckengrund her schien ihr das Abbild des Herkules zuzuwinken.
Sollte sie es wagen? Sophie blickte auf, sie war allein. Die Gartenjungen waren unten an der Schlei, selbst Flieder war heute mit ihnen gegangen. Und die Gesellen und der Hofgärtner hielten sich hinter den kühlen Mauern der Gartenwerkstatt auf.
Der Herkules nickte ihr zu, im Wasser sah sie ihr Spiegelbild lächeln. Also gut! Sophie zog ihre Hose aus und stieg in das Becken. Das Wasser reichte ihr fast bis zu den Hüften, es fühlte sich herrlich an auf der Haut. Ein Mal untertauchen, dachte sie, und sich vom Wasser tragen lassen. Sophie spürte, dass sie dem Drang nicht widerstehen könnte.
Noch einmal blickte sie über ihre Schultern. In den Hecken war es still, selbst die Vögel schwiegen in der sengenden Hitze. Sie hielt die Luft an und ließ sich in das Becken sinken, bis sie Grund spürte und das Wasser ihre Schultern umschmeichelte.
Das Bad war köstlich und Sophie stöhnte vor Wonne auf. Sie versuchte einige Schwimmzüge und bewegte sich auf die Mitte des Beckens zu. Der steinerne Koloss war nun über ihr und beschirmte sie mit seinem massigen Leib. Sophie drehte sich auf den Rücken und blickte von unten auf seinen Körper. Die Perspektive war ungewohnt und seine Blöße unter dem Löwenfell erschien ihr fremd und faszinierend zugleich. Sie schwamm noch näher heran und studierte seine Muskeln aus Sandstein. Zuletzt blieb ihr Blick an dem hervorspringenden Geschlecht hängen.
Ein Mann, ein nackter Mann, wenn auch aus Stein. Neugierig sog Sophie seine Körperlichkeit in sich auf. Unterhalb ihres Bauchnabels spürte sie
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