Der Sternenhuter - Unter dem Weltenbaum 04
übernommen. »Der König wird für die Rabenbunder keine Verwendung mehr haben, wenn er gegen Euch marschiert.«
»Und dafür sei den Sternen gedankt«, begann der
Krieger, kam aber nicht weiter, weil die Brücke laut aufschrie und alle hochfuhren.
»Auf den Turm! Auf den Turm! Weh uns! Wir sind
verloren!«
»Ganz ruhig!« brüllte Axis, als alle zur Tür stürmten.
»Belial und Weitsicht, Ihr kommt mit mir. Aschure, ruft
Eure Bogenschützen zusammen. Magariz und Arne, Ihr
macht die Festung für einen Angriff fertig, wie wir es
geplant haben. Speerflügel, schickt die Ikarier in die
Luft. Sa’Kuja, Ihr bleibt hier.«
Speerflügel flog der Einfachheit halber zum Fenster
hinaus. Axis und seine drei Begleiter verließen als erste
den Kartenraum, doch sie durch die Tür, und die anderen
folgten ihnen, um ihre jeweiligen Aufgaben zu erledigen.
Der Krieger hatte mit seinen Befehlshabern schon vor
einiger Zeit Pläne aufgestellt, wie im Fall eines Angriffs
auf die Burg vorzugehen sei. Nun sah es ganz so aus, als
sollten ihnen ihre vielen Übungseinsätze zugute kommen.
»Weh uns! Weh uns!« schrie die Brücke wieder. »Auf
den Turm! Weh!«
»Das hört sich kaum nach einem großen Angriff an«,
keuchte Aschure, als sie hinter Axis die Treppe hinaufeilte. Sie hatte bereits den Wolfen von der Schulter genommen und einen Pfeil aufgelegt. »Sonst würde die
Brücke uns wohl kaum den Turm hinaufschicken.«
»Das denke ich auch«, entgegnete der Krieger ebenso
schweratmend. »Aber sie trommelt uns wohl nicht zusammen, damit wir die schöne Aussicht genießen können. Irgend etwas muß vorgefallen sein, etwas Übles!«
Dornfeder strebte mehr taumelnd als fliegend auf den
Turm zu. Abendlied flog an seiner Seite und versuchte,
ihn zu ermutigen, nicht aufzugeben. Doch dabei liefen ihr
Tränen über die Wangen, und ein Blick auf den zu Tode
ermatteten Staffelführer gab rasch Antwort auf die Frage,
was sie zum Weinen brachte. Hinter den beiden, fast
gleichzeitig mit ihnen, erschien der Schneeadler.
Und hinter ihm kam niemand mehr. Was war aus der
ganzen Staffel geworden?
Die vier auf dem Turm erkannten, in welchen Zustand
sich Dornfeder befand, als die drei im Anflug auf ihr Ziel
eine Schleife drehten und dabei Blut auf den Boden des
Turmdachs tropfte.
Weitsicht erhob sich sofort in die Lüfte.
»Dornfeder und Abendlied«, flüsterte Aschure und
senkte ihren Bogen. Die beiden waren ihre engsten
Freunde unter den Ikariern.
Eine Gruppe Bogenschützen stürmte jetzt durch die
Tür, gefolgt von Sternenströmer und den drei Wächtern.
Dornfeder verlor nur wenige Meter vor dem Turm
endgültig das Bewußtsein, und Weitsicht und Abendlied
konnten seinen Fall kaum aufhalten. Schließlich entglitt
ihnen der Staffelführer und landete mit einem entsetzlich
dumpfen Aufprall auf dem Burghof. Leblos lag er da,
und Blut rann aus vielen Wunden an seiner Brust und an
seinen Flügeln und bildete um ihn herum eine Lache.
Aschure war so unvorsichtig, über die Brüstung nach
unten zu schauen. Bei dem Anblick wurde ihr übel.
Dornfeders Bauch war aufgerissen, und die im Sonnenlicht glitzernden Eingeweide quollen heraus. Der linke
Arm hing nur noch an ein paar Sehnen an der Schulter.
Axis warf sich vor dem Staffelführer auf die Knie.
Dornfeder hatte sein ganzes Vertrauen genossen.
Dann landete Abendlied neben ihm, und Aschure
rannte sofort zu ihr. Die Ikarierin war offensichtlich von
demselben Gegner angegriffen worden. Eine ihrer Wangen war aufgerissen, und Arme und Hände wiesen entsetzliche Wunden auf. Aber wenigstens lag sie nicht im
Sterben.
Der Krieger war fest entschlossen, Dornfeder nicht so
zu verlieren wie einst Freierfall. Noch einmal würde er
nicht versagen. Er nahm den Vogelmenschen in die Arme und breitete dessen Flügel aus.
Sternenströmer hatte jetzt auch den Burghof erreicht
und wollte sofort zu den Verletzten, aber Veremund hielt
ihn zurück. »Schaut, was Euer Sohn tut.«
Alle drei Wächter verhielten sich inmitten der allgemeinen Aufregung auf dem Burghof erstaunlich ruhig.
Sie bewegten sich im Kreis um Axis und drängten jeden
zurück, der zu Abendlied oder Dornfeder wollte.
Ogden näherte sich Aschure und legte ihr eine Hand
auf die Schulter. »Seht nur zu, junge Mutter«, flüsterte er
ihr ins Ohr. »Beobachtet Euren Liebsten, und glaubt an
ihn.«
Von allen Anwesenden wußte Sternenströmer das
Lied der Genesung am meisten zu schätzen, das sein
Sohn jetzt sang. Eine ungeheuer mächtige
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