Der Sternenhuter - Unter dem Weltenbaum 04
auftauchte, fand er sie befestigt und alle Stadttore verriegelt vor.
Axis ließ den Schneeadler zwei Meilen über den Zinnen kreisen. Auf den Stadtmauern eilten Soldaten hin
und her und zeigten beunruhigt auf das sich heranwälzende feindliche Heer. Er glaubte, sogar Burdel unter den
Männern auf den Wehrgängen zu entdecken: Einen großen und hageren Mann von fast asketischem Äußeren,
der ganz ruhig dastand, die Augen gegen die Sonne abschirmte und den schwarzen Wurm betrachtete, der sich
über die Ebene näherte. Axis hatte die Ikarier vorerst
zurückgelassen. Die Luftarmada erholte sich noch in den
Bergen. Sie sollte erst in der Nacht, im Schutz der Dunkelheit, zu ihm stoßen.
Belaguez stampfte ungeduldig mit den Hufen, und die
Beißstange in seinem Maul klirrte. Der Krieger lächelte
und klopfte dem Hengst auf den Hals, ehe er Belial, Magariz und Ho’Demi zu sich winkte.
»Nun, Ihr Herren«, forderte er sie auf, als sie sich zu
ihm gesellt hatten, »wie würdet Ihr dieses Problem lösen?«
»Ich habe nur wenig Erfahrung mit Belagerungen«,
antwortete der Häuptling. »Eigentlich habe ich nur einmal darauf gewartet, daß ein Eisbär endlich aus seiner
Schneehöhle auftauchen würde. Nun, was würde ich in
einer solchen Lage wie hier tun? Ich würde mich mit
meinem Speer vor das Tor setzen und warten, daß jemand herauskommt.« Er nickte dem Fürsten zu, damit er
sich äußere.
Magariz zuckte die Achseln. »Eine harte Nuß, Axis.
Ihr führt nicht einmal Rammböcke mit Euch mit, und
Burdel hat sicher die Mauern verstärkt und dort Geschütze in Stellung bringen lassen.«
»Wir könnten Arken einschließen und aushungern«,
schlug Belial vor. Als er den Gesichtsausdruck des Kriegers sah, fügte er rasch hinzu: »Und müßten bis dahin
warten. Und warten … könnte Jahre dauern.«
Ihr wißt ja gar nicht, was auf dem Spiel steht, dachte
der Sternenmann. Mittlerweile stehen wir weit im Rosenmond, und mir bleiben nur noch dreieinhalb Monate,
um meinen Pakt mit der Torwächterin zu erfüllen. Ich
kann hier nicht mehr Zeit hineinstecken als ein paar Wochen.
Der Krieger schwieg und betrachtete Burdel wieder
durch die Augen des Adlers. Ich werde mich wohl darauf
verlassen müssen, mit ein paar freundlichen Worten die
Tore geöffnet zu bekommen. Und vielleicht mit ein wenig Magie.
Er wandte sich wieder an seinen Kriegsrat: »Hört, ich
möchte, daß Ihr folgendes tut.«
Am Abend war die ganze Armee, einschließlich des
Trosses, vor Arken eingetroffen und hatte außerhalb der
Reichweite der Bogenschützen auf den Zinnen einen
Ring um die Stadt geschlossen. Die Soldaten schlugen
ein befestigtes Lager auf, so als richteten sie sich auf eine
lange Wartezeit ein. Axis ließ sein Zelt gegenüber dem
Haupttor Arkens errichten. Darüber flatterte sein goldenes Banner mit der blutroten Sonne im Zentrum. Im letzten Tageslicht lief er deutlich sichtbar mit dem goldenen
Langhemd unter dem roten Umhang umher, gab sich
gelöst, trug keine Waffen, lachte und scherzte mit den
Offizieren und ließ sich nur von einem der Alaunt begleiten.
Oben auf den Befestigungen standen die Bürger der
Stadt und sahen dem Treiben zu. Dort auf den Zinnen
ereiferten sie sich über alle Bewegungen der feindlichen
Truppen und ihres Oberbefehlshabers. Viele hatten den
Krieger früher bewundert, als er noch der Axtherr gewesen war. Als er sich vor zwei Jahren für eine Weile in
Arken aufgehalten hatte, hatte er ihre Achtung und
Freundschaft gewonnen. Zwei oder drei Kaufleute aus
der Stadt, die mit Axis und seiner Armee in Sigholt Handel getrieben hatten, wurden eindringlich über ihn ausgefragt. In der Stadt hielten sich auch einige der Männer
auf, die Belial vor fünfzehn Monaten losgeschickt hatte,
um im Land die Botschaft der Prophezeiung zu verbreiten. Seit zwei Monaten wirkten sie in der Provinzhauptstadt und hatten in den Gasthäusern und Schenken das
Wort der Weissagung verkündet.
Axis verbrachte einen festlichen und geselligen Abend. Aschure, Rivkah, Ho’Demi und seine Frau
Sa’Kuja, Belial und Magariz saßen an seiner Tafel. Die
Damen trugen Abendgewänder in herrlichen Farben, und
Aschure präsentierte allen ihren lachenden Sohn Caelum.
Der Krieger selbst gab sich gelöst und leutselig. Jeder,
der ihn sah, mußte zu dem Schluß gelangen, daß die Rebellen sich auf eine lange Belagerung einrichteten und es
sich dabei nicht unbedingt schlecht ergehen lassen wollten.
Am nächsten Morgen überraschte
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