Der Sternenwald
waren im letzten Augenblick gerettet worden. Jetzt stand ihnen ein Sprung ins Meer bevor, das ihnen nicht den geringsten Schutz vor den Hydrogern gewährte.
Doch es gab keine andere Möglichkeit – es sei denn, man überließ über neunzig Prozent der Bevölkerung des Planeten dem sicheren Tod.
Die Frachtluken des Manta öffneten sich und die ersten Siedler sprangen widerstrebend ins Wasser. Manche fielen auf die weichen und alles andere als stabilen künstlichen Inseln. Einige Kolonisten zögerten am Lukenrand und fürchteten sich vor dem Sprung mehrere Meter in die Tiefe. Aber die hinter ihnen schoben sie nach vorn – hunderte von Flüchtlingen fielen wie Lemminge ins Meer und schwammen zu den Inseln aus erstarrtem Armierungsschaum.
Tasias Stimme ertönte aus den Interkom-Lautsprechern. »Jede Verzögerung kostet andere Siedler das Leben. Bewegung!« Sie schickte Sergeant Zizu und sein Sicherheitsteam mit Betäubungswaffen los, um dafür zu sorgen, dass die Kolonisten das Schiff verließen. »Keine Sorge«, fügte sie hinzu und sprach etwas sanfter. »Wir haben sie schon einmal gerettet und lassen sie auch diesmal nicht im Stich.«
Zwei weitere Manta-Kreuzer kamen heran und sprühten Schaum, der weiche Plattformen bildete. Jedes einzelne Polymerfloß konnte hunderte von Menschen tragen. Die Rettungsmission ging im Rekordtempo weiter.
Siedler stolperten und fielen. Tasia wollte nicht an die Anzahl der Knochenbrüche denken – sie hoffte, dass die Kolonisten lange genug überlebten, um darüber klagen zu können. Wasser strömte über die Ränder der größten sich langsam drehenden Flöße. Gruppen von Flüchtlingen blickten übers Meer zum Horizont und schienen zu befürchten, dass sich dort die Kugelschiffe der Hydroger zeigten.
Die Frachtluken schlossen sich und Tasias Schiff stieg auf, flog noch einmal über die künstlichen Inseln hinweg und raste dann zum Kontinent zurück. Siedlung L sah sich unmittelbar von den Kugelschiffen bedroht und Tasia hörte ihre Notrufe. »Halten Sie sich bereit«, sendete sie. »Wir sind unterwegs.«
Und die Hydroger kamen näher.
50 ERSTDESIGNIERTER JORA’H
Nach dem Angriff auf Hyrillka fühlte sich der Erstdesignierte Jora’h selbst im Prismapalast nicht mehr sicher. Verstärktes Sonnenlicht glänzte durch die Fenster und gewölbten Scheiben, erleuchtete alle Ecken und ließ nirgends Platz für Schatten. Doch Jora’hs Gedanken galten den Hydrogern, die irgendwo dort draußen sein mochten und sich vielleicht in diesem Augenblick Ildira näherten…
Die Solare Marine hatte bittere Niederlagen hinnehmen müssen, erst bei Qronha 3 und dann bei Hyrillka. Wenn die Hydroger beschlossen, andere Welten des Ildiranischen Reiches anzugreifen – wer konnte sie daran hindern?
Jora’hs Vater rief ihn zu einer Konsultation zu sich, aber der Erstdesignierte kam dieser Aufforderung nicht sofort nach und versuchte zuerst, die Unruhe aus sich zu vertreiben. Er gab einem Hauch Sentimentalität nach und streifte ein Hemd mit weiten Ärmeln über, das aus theronischen Fasern bestand, ein Geschenk von Nira Khali. Er erhoffte sich Kraft und Frieden davon.
Kurze Zeit später stand er steif vor dem Chrysalissessel. Es schmerzte ihn, den Schock des Verlustes und das Entsetzen im grauen Gesicht des Weisen Imperators zu sehen. Jora’h glaubte, die Knochen durch die fahle Haut seines Vaters zu erkennen. Hatte sich Cyroc’hs Gesundheitszustand während der letzten Wochen erheblich verschlechtert? Der Glanz des langen Zopfs schien sich getrübt zu haben – offenbar verloren selbst die Haare ihren Lebenswillen.
Durch das Thism hatte der Weise Imperator Not und Leid der Hyrillkaner erfahren. »Bist du unverletzt, mein Sohn?« Die Sorge um Jora’hs Wohlergehen schien nicht so sehr persönlicher, sondern eher politischer oder dynastischer Natur zu sein.
»Ja, Vater. Ich habe den Angriff der Hydroger unversehrt überstanden, ebenso wie Thor’h. Mein Bruder Rusa’h hingegen wurde schwer verletzt. Ich fürchte um sein Leben.«
Der Weise Imperator runzelte die Stirn. »Die besten Ärzte kümmern sich um ihn. Es wird dem Hyrillka-Designierten gewiss nicht an angemessener Behandlung mangeln, aber seine Rekonvaleszenz hängt von der inneren Kraft ab. Dein Bruder hat ein bequemes Leben ohne Herausforderungen geführt. Vielleicht fehlt ihm das Durchhaltevermögen, das nötig ist, um die Gefahr zu überwinden.«
Die kalte Analyse und der Mangel an Anteilnahme überraschten Jora’h. »Er
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