Der Sternenwald
nie einer so erstaunlichen und fremdartigen Lebensform begegnet.
Das Nebelwasser lebte. Mehr noch: Es war intelligent, hatte ein Bewusstsein.
Während sein kleines Schiff mit den riesigen Segeln weiter durch die interstellare Gaswolke glitt, fühlte sich Jess immer mehr von der intelligenten Flüssigkeit fasziniert. Er ging auf dem Deck des Produktionsbereichs in die Hocke, blickte in den zylindrischen Tank und beobachtete die aus dem Nebel destillierte Flüssigkeit.
Sie enthielt eine unbestimmte, unmessbare Energie, die hinter Jess’ Augen pulsierte, als könnte der menschliche Sehnerv das vitale Element nicht von der chemischen Substanz trennen. Es handelte sich nicht nur einfach um eine Verbindung aus Wasserstoff und Sauerstoff. Es war keine natürliche Substanz; man musste eine ganz neue Kategorie dafür schaffen.
Die Flüssigkeit lebte.
Sie war intelligent.
Und sie… kommunizierte mit ihm.
Jess wölbte die Hände um den runden Tank. Die aus dem Innern sickernde Energie fühlte sich gleichzeitig warm und kalt an, wie ölig und glatt an den Fingerspitzen, ohne an der Haut zu haften.
Er hörte eine Stimme, wie eine Erinnerung in seinem Kopf, keine Botschaft aus gesprochenen Worten. Jess dachte daran, wie die grünen Priester durch den Telkontakt mit den Weltbäumen kommunizierten… Aber dies war eine ganz andere Art von Geschöpf. Das nahm er jedenfalls an.
Einst waren wir Billionen, doch ich bin der Letzte. Und du hast mich zurückgeholt.
»Was bist du?«
Eine Essenz von Leben und Flüssigkeit Wasser, das durch den Kosmos fließt…Es fällt mir schwer, repräsentative Konzepte in Ihrem Bewusstsein zu finden. Wir nennen uns Wentals.
»Aber seid ihr… ausgestorben? Bist du der Letzte deiner Art?«
Jetzt bin ich der Erste.
»Was ist mit den anderen Wentals geschehen? Kam es zu einer Katastrophe?«
Wir können nicht sterben, aber wir können uns… dissoziieren. Dieser Nebel ist ein riesiger Friedhof, das Schlachtfeld eines uralten Krieges, der einst das ganze Universum zu erschüttern drohte. Wir haben… verloren.
Jess balancierte auf den Fußballen. Wenn das fremdartige Wesen irgendwie mit seinem Bewusstsein verbunden war, spürte es sicher die vielen Fragen, die ihm auf der Zunge lagen. Es gab so viele Dinge, über die Jess Bescheid wissen wollte.
»Wie lange liegt jener Krieg zurück? Jahrtausende?«
Unermesslich viel länger, antwortete der Wental.
Jess versuchte zu verstehen, wie viel Zeit das Wesen meinte. Hatte der Wental existiert, bevor sich der Nebel in diesem Teil des Spiralarms ausbreitete?
Nach der Herstellung des Kontakts merkte Jess, dass es nicht mehr nötig war, den Tank zu berühren. Er richtete sich auf und wanderte umher. »Erzähl mir von dem alten Krieg. Wer kämpfte gegen wen? Was geschah?«
Die letzten Wentals stellten sich unserem Feind entgegen… den Hydrogern.
Jess schnappte nach Luft. »Den Hydrogern? Wie?«
Ich kann die Gründe für den Konflikt nicht mit dir vertrauten Begriffen erklären und ich bin ebenso wenig in der Lage, Einzelheiten des Kampfes zu nennen. Aber die letzte Konfrontation fand hier statt. Hydroger und Wentals kollidierten, zerstörten, dissoziierten…
Die Hydroger hatten bereits die Verdani ausgelöscht und ihre Waldpräsenz vernichtet. Nur die Wentals blieben übrig. Wir waren mächtig und töteten Millionen – Milliarden – von Hydrogern. Es war eine ungeheuerliche Schlacht, mit unvorstellbar hohen Verlusten auf beiden Seiten. Wir wurden zerrissen in Ströme aus Wasserstoff und Sauerstoff, unser Blut weit im All verstreut. Fast wäre es uns gelungen, die Hydroger zu besiegen.
Aber es gab zu viele von ihnen. Der Feind war… überwältigend.
Jess wartete, empfand Kälte und Einsamkeit.
Einige Dinge waren jetzt zumindest teilweise klar, und damit eröffneten sich neue Möglichkeiten, die er nie zuvor in Betracht gezogen hatte. »Wir Menschen haben in einem zu kleinen Rahmen gedacht«, sagte er zu sich selbst. »In einem viel zu kleinen Rahmen.«
Die Hydroger waren ganz und gar keine neue Bedrohung, sondern eine Gefahr, die über die Epochen der galaktischen Zeit hinwegreichte. Jess begriff, dass viel mehr hinter diesem großen Konflikt steckte. Cesca und die Roamer mussten davon erfahren, auch die Große Gans und das Ildiranische Reich.
»Die Hydroger sind noch immer da«, sagte Jess. »Sie haben Menschen angegriffen. Kannst du uns irgendwie helfen? Gibt es eine Möglichkeit für uns, wirkungsvoll Gegenwehr zu leisten?«
Menschen
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