Der Sternenwald
erfuhr Tasia, dass EA noch nicht von der geheimen Mission bei Rendezvous zurückgekehrt war. Die Roamer-Werften in den Ringen von Osquivel waren der TVF verborgen geblieben, was bedeutete, dass EA Sprecherin Peroni gewarnt hatte. Aber seltsamerweise blieb der Kompi verschwunden.
Ein prominenter Roamer-Händler, Denn Peroni, war vor kurzer Zeit mit Versorgungsmaterial zum Mond der Erde geflogen. Nach dem von ihm übermittelten Flugplan wollte er bald wieder aufbrechen; es blieb Tasia also nicht viel Zeit. Mit einem Remora verließ sie den Stützpunkt auf dem Mars und nutzte ihre letzten Stunden Sonderurlaub für eine Begegnung mit Denn Peroni.
Sie fand ihn im Krater-Raumhafen auf der dunklen Seite des Mondes. Im Innern der Kuppel ging er vor seinem Schiff unruhig auf und ab, schien nach jemandem zu suchen, den er treten oder gar erwürgen konnte.
In einen Overall gekleidet trat Tasia auf ihn zu und Peroni runzelte die Stirn, als er die TVF-Kleidung sah. Sie hob beschwichtigend die Hand. »Ich bin Tasia Tamblyn, Tochter von Bram Tamblyn.«
Peroni blinzelte und erkannte sie. »Ja, Ross’ Schwester! Ich habe gehört, dass Sie bei den Tiwis sind. Sie sollten sich besser von mir fern halten, denn im Augenblick ist mir danach, jemanden zu erschießen.«
»Was ist los?«
Peroni schüttelte den Kopf. »Irgendein Schlamassel. Ich habe alle notwendigen Dokumente übermittelt, aber irgendetwas muss durcheinander geraten sein, und jetzt sitze ich hier mit meinem Schiff fest, bis die Angelegenheit ›überprüft‹ wird. Man kann mir nicht einmal sagen, wie lange das dauert.«
Tasia zeigte Anteilnahme. »Große Gans, große Bürokratie. Ich würde gern helfen, aber das Militär hat mit der Handelspolitik nichts zu tun.«
Peroni winkte ab.
»Ich möchte Sie etwas fragen.« Tasia senkte verschwörerisch die Stimme. »Ich habe meinen persönlichen Kompi EA nach Rendezvous geschickt, mit einer Warnung für Del Kellum bei Osquivel.«
Peroni lächelte. »Damit haben Sie allen Clans einen großen Dienst erwiesen. Nach der Schlappe, die die Tiwis dort einstecken mussten, möchte ich ihnen keinen Grund geben, auf uns sauer zu sein.«
Tasia runzelte die Stirn. »Aber mein Kompi ist nicht von jener Mission heimgekehrt.«
Der Händler wirkte unbesorgt. »Kompis sind nicht sehr flexibel, das wissen Sie ja. Mit komplexen Problemen werden sie nicht fertig, nicht einmal die besten. EA sollte hierher zurückkehren?«
»Ja.«
»Nun, vielleicht hat ihn etwas daran gehindert. In letzter Zeit sind zu viele Roamer-Schiffe verschwunden. Möglicherweise befand sich EA an Bord eines Raumers, der es mit ›unvorhergesehenen Gefahren‹ zu tun bekam.«
»Hoffentlich nicht«, sagte Tasia beunruhigt. »Nun, ich wünsche Ihnen viel Glück beim Umgang mit der hiesigen Bürokratie.«
Peroni schnitt eine finstere Miene. »Ich schätze, das kann ich gut gebrauchen.«
105 JESS TAMBLYN
Die stürmische Meereswelt war unbewohnt, steril und namenlos. Sie erschien nur als kleiner Hinweis auf den ursprünglichen ildiranischen Karten, die die Roamer vor langer Zeit gekauft hatten. Niemand hatte sie interessant genug gefunden, um einen zweiten Blick darauf zu werfen.
Der Wental fand sie perfekt.
Jess spürte die Freude der alten Wasser-Entität, als er das Schiff durch graue Wolken und böigen Wind steuerte. Unablässig gleißten Blitze durch die düstere Atmosphäre. Verglichen mit Isperos, einem heißen Planeten, zu dem er einmal mit Kotto Okiah geflogen war, wirkte diese Welt nicht allzu heimtückisch. Roamer waren an raue Schönheit gewöhnt.
Jess fühlte immer Aufregung, wenn er einen unbekannten Ort erforschte, aber diesmal war sie noch größer als sonst. Er schickte sich an, etwas zu tun, dem mehr Bedeutung zukam als allen anderen Taten in seinem Leben. Vielleicht ergaben sich daraus enorme Konsequenzen für die Zukunft des Spiralarms.
Er war mit einem Nebelsegler aufgebrochen, dem Gebot der Notwendigkeit gehorchend… oder vielleicht nur, um vor Cesca wegzulaufen, seine Gefühle zu beruhigen und den galaktischen Konflikt sich selbst zu überlassen.
Doch jetzt konnte Jess einen neuen Verbündeten auf die Bühne des Geschehens bringen, eine Macht, die vielleicht imstande war, die Pläne der Hydroger zu vereiteln. Wenn er den Wentals dabei helfen konnte, zu ihrer einstigen Größe zurückzufinden und zu mächtigen Kriegern zu werden, die die Menschheit schützten… Leistete er, Jess Tamblyn, dann nicht ebenso viel für die Zukunft der Roamer
Weitere Kostenlose Bücher