Der Stierkampf
schwerelos, wie Papierschnitzel, über das weite Feld verstreut. Darunter befanden sich Häuser, die ihr kompliziertes Eisengerippe wie ein Wrack zum Himmel emporreckten und andere, vor denen in den Ecken des Grundstücks ganze Hügel kleiner Eisenteilchen gehäuf lagen. Sah man aufmerksam umher, entdeckte man zahllose Kamine und Telegraphenmasten; wie ein Spinnennetz überzogen elektrische Drähte kreuz und quer das Gelände. Hin und wieder fuhr, wie Spielzeugwagen schwankend, die Vorortbahn über das Fabrikgelände, durch Wälder und an Hügeln vorbei. Ganz im Westen waren die Rokko-Berge zu erkennen. Und über diese weite und öde Landschaf, in der sich der Schmutz der Zivilisation und die Strenge der Winternatur miteinander vermischt hatten, hing tief ein wolkiger Himmel herab.
Sakiko ließ ihre Augen schweigend über diese kalte Landschaf schweifen, aber insgeheim dachte sie an den Kummer, den ihr eine Trennung von Tsugami bereiten würde und wie sehr sie schon heute unter seinem herzlosen Verhalten litt. Sie erkannte mit einem Mal, daß sie an diesem Tage gekommen war, um von ihm wenigstens einen kleinen Brocken Liebe zu erhalten und ihr Herz daran zu erwärmen. Mochte diese Liebe auch grausam verlogen sein, so hofe sie doch, schon durch ein einziges, wenn auch unaufrichtiges Wort liebevoller Besorgtheit getröstet zu werden. Sie starrte in das Gesicht dieses Mannes, der neben ihr saß und den ihr Kummer nicht das mindeste zu kümmern schien. Mit einem Mal brach in ihr erneut Zorn gegen Tsugami auf, der sich nicht einmal die Mühe machte, sie zu betrügen. In kaltem Ton, als forderte sie die Rückzahlung einer Schuld, bat sie ihn in einem spontanen Einfall, die Teezeremonie im Ninnaji-Tempel, zu der sie Freunde aus Kyoto eingeladen hatten, mit ihr gemeinsam mitzumachen. Aber über sein Gesicht flog nur ein Ausdruck des Unwillens, und er äußerte kein Wort.
»Nur an diesem einzigen Tag, dem vierzehnten!« »Das ist völlig unmöglich!«
»Der Nachmittag würde mir genügen. Also nur einen halben Tag lang …«
»Ich kann einfach nicht! Bis der Stierkampf vorüber ist, sind mir alle Hände gebunden!« Dann verzog er mißgelaunt das Gesicht und erklärte, er denke nicht daran, dort öffentlich als ihr Liebhaber zu erscheinen.
»Das heißt also: unsere Beziehungen sind damit zu Ende …«, erwiderte Sakiko mit heiserer Stimme und fuhr fort:
»Ich bin ja auch zu dumm, daß ich mit dir überhaupt darüber rede – ich wußte es doch, daß du mich von dir wegstößt!« »Ich stoße dich doch nicht von mir weg!« »Wie? Du glaubst nicht, daß du mich von dir wegstößt?«
Ihr Zorn gegen diesen gefühlskalten Mann ließ sie mit einem Mal ihre ganze Beherrschung verlieren.
»Stoß mich ruhig noch weiter weg! Und wenn ich dann den Abgrund hinunterrolle, interessiert mich nur noch, mit was für einem Gesicht du mir zusiehst!«
Hierauf schwiegen sie. Als die hefigen Emotionen abgeklungen waren und es nichts mehr zu besprechen gab, breitete sich, ähnlich wie die Oberfläche eines Wassers eindunkelt, in Sakikos Herzen hilfloser Kummer aus. In dieser widrigen Stimmung verblieb keine andere Möglichkeit mehr, als daß sich einer von beiden als erster erhob. Nach einer Weile erklärte Tsugami unvermittelt, es sei ihm etwas eingefallen, was er ganz schnell erledigen müsse, und er begab sich ins Bürozimmer hinunter. Nach fünf Minuten kehrte er jedoch eilig zurück und sagte, er müsse noch heute drei, vier außerordentlich wichtige Angelegenheiten unbedingt in Ordnung bringen, und so gehe das bis zum Tag der Stierkampf-Veranstaltung weiter. Dann fragte er Sakiko in einem leicht veränderten, freundlicher klingenden Ton, ob sie nicht nach Beendigung des Stierkampfes mit ihm in ein Bad nach Kishu reisen wolle.
»Alles geht schief! Eine Erwartung nach der anderen wird enttäuscht!«, sagte er, als suche er nach einer Ausrede.
Er zeigte hinunter, wo in der Mitte des Spielfeldes ein weißer Kreis gemalt war: dort sollte ein mit Bambusrohren umgebener Kampfring von etwa vierzig Metern Durchmesser angelegt werden, aber nicht einmal dieses Projekt hätte sich planmäßig verwirklichen lassen. Er habe die Stierzucht-Vereinigung der Stadt W dringend gebeten, jemanden herzuschicken, der den Bau dieses »Rings« leiten sollte; aber nachdem der Mann endlich eingetroffen war, wurde das Bambusmaterial lange nicht angeliefert. Heute morgen sei der Bambus schließlich gekommen, aber nun liege der für die Leitung dieser Arbeit
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