Der stille Amerikaner
Hunderte!«
»Ich glaube nicht, daß er zu uns gehört«, sagte der Handelsattaché. »Ich kann mich nicht an ihn erinnern.«
»Wir könnten nach seinem Ausweis suchen«, schlug Pyle vor.
»Weckt ihn doch um Gottes willen nicht auf! Ein Besoffener ist schon genug. Granger wird ihn sowieso kennen.«
Das war aber nicht der Fall. Mit bedrückter Miene kam er von der Toilette zurück. »Wer ist die Kleine da?« fragte er mürrisch.
»Miss Phuong ist eine Bekannte von Mr. Fowler«, sagte Pyle steif. »Wir möchten gerne wissen, wer …«
»Wo hat er sie her? In dieser Stadt muß man vorsichtig sein.« Düster setzte er hinzu: »Danken wir Gott für das Penicillin!«
»Bill«, sagte der Handelsattaché, »wir möchten wissen, wer Mick ist.«
»Keine Ahnung.«
»Du hast ihn doch hergebracht.«
»Die Franzosen vertragen keinen Whisky. Er wurde ohnmächtig.«
»Ist er denn ein Franzose? Ich dachte, Sie nannten ihn Mick.«
»Na, irgendeinen Namen mußte ich ihm doch geben«, meinte Granger. Er beugte sich zu Phuong hinüber und sagte: »He, du! Trinkst du noch ein Glas Orangensaft? Und hast du heute abend schon ein Rendezvous?«
Ich sagte: »Sie hat jeden Abend ein Rendezvous.«
Der Handelsattaché sagte hastig: »Wie steht’s mit dem Krieg, Bill?«
»Großartiger Sieg nordwestlich von Hanoi. Die Franzosen haben zwei Dörfer zurückerobert, deren Verlust sie uns nie gemeldet hatten. Schwere Verluste der Vietminh. Die eigenen haben sie noch nicht zählen können, werden sie uns aber in ein bis zwei Wochen bekanntgeben.«
»Es geht das Gerücht, daß die Vietminh in Phat Diem eingedrungen sind, den Dom niedergebrannt und den Bischof davongejagt haben«, sagte der Handelsattaché.
»Davon würden sie uns in Hanoi nichts erzählen. Das ist doch kein Sieg.«
»Eine unserer Sanitätsmannschaften kam über Nam Dinh nicht hinaus«, sagte Pyle.
»So weit hinunter bist du nicht gekommen, Bill?« fragte der Handelsattaché.
»Wofür hältst du mich? Ich bin Korrespondent mit einer Ordre de circulation, aus der genau zu ersehen ist, wann ich mich auf verbotenem Gebiet befinde. Nein, ich lande auf dem Flughafen von Hanoi. Man gibt uns einen Wagen zum Presse-Camp. Dann wird ein Flug über die zwei zurückeroberten Städte veranstaltet, und die Franzosen zeigen uns, daß dort die Trikolore weht. Aus solcher Höhe gesehen, könnte es jede x-beliebige Flagge sein. Dann halten sie eine Pressekonferenz ab, bei der uns ein Oberst erklärt, was wir gesehen haben. Dann reichen wir unsere Telegramme beim Zensor ein. Dann gibt es Drinks. Vom besten Barmixer in ganz Indochina. Zum Schluß fliegen wir wieder zurück.«
Pyle betrachtete stirnrunzelnd sein Bierglas.
»Du unterschätzt dich, Bill«, sagte der Handelsattaché. »Zum Beispiel dieser Bericht über die Chaussee 66 – wie nanntest du ihn? Ach ja: ›Straße zur Hölle‹ –, der hätte den Pulitzerpreis verdient. Du weißt, welche Geschichte ich meine – die von dem Mann, dem der Kopf weggerissen worden war und der im Straßengraben kniete, und von dem anderen, den du traumwandelnd gesehen hast …«
»Ja, meinst du denn, ich würde wirklich in die Nähe dieser verfluchten Straße gehen? Stephen Crane war imstande, einen Krieg zu schildern, ohne ihn zu sehen. Warum sollte ich das nicht fertigbringen? Es ist sowieso nur ein verdammter Kolonialkrieg. Verschaff mir noch was zum Trinken. Und dann gehen wir uns ein Mädchen suchen. Du hast da eine Puppe! Ich möchte auch so etwas haben.«
»Glauben Sie, daß an dem Gerücht über Phat Diem etwas Wahres ist?« wandte ich mich an Pyle.
»Das weiß ich nicht. Ist es wichtig? Ich würde gern hinfahren und mir die Sache ansehen, wenn sie wichtig ist«, sagte er.
»Wichtig für die Wirtschaftsmission?«
»Ach, man darf da nicht so scharfe Trennungslinien ziehen. Die Medizin ist auch ein Art Waffe, nicht wahr? Diese Katholiken – die dürften wohl stark antikommunistisch eingestellt sein, meinen Sie nicht?«
»Sie treiben jedenfalls mit den Kommunisten Handel. Der Bischof bekommt seine Kühe und das Bambusrohr für seine Bauten von den Kommunisten. Ich würde nicht behaupten, daß sie unbedingt York Hardings Vorstellung von der Dritten Kraft entsprechen«, frotzelte ich ihn.
»Hört schon endlich auf!« brüllte Granger. »Wir können doch nicht die ganze Nacht hier rumsitzen. Ich gehe ins ›Haus der fünfhundert Mädchen‹.«
»Darf ich Sie und Miss Phuong zum Dinner einladen«, begann Pyle.
»Ihr könnt ja im
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