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Der stille Amerikaner

Der stille Amerikaner

Titel: Der stille Amerikaner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Greene
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nicht durch Gefühle beeinflussen.«
    »Ich verstehe.«
    »Sagen Sie ihr, daß ich sie heiraten möchte.«
    Ich sagte es ihr.
    »Was hat sie geantwortet?«
    »Sie hat mich gefragt, ob Sie im Ernst sprechen. Darauf sagte ich ihr, daß Sie von der ernsten Sorte wären.«
    »Es ist schon eine verrückte Situation – daß ich Sie bitte, für mich zu übersetzen«, sagte er.
    »Ziemlich verrückt.«
    »Und doch erscheint es mir natürlich. Schließlich sind Sie mein bester Freund.«
    »Nett, daß Sie das sagen.«
    »Es gibt niemanden, an den ich mich in der Not lieber wenden würde als an Sie«, sagte er.
    »Und ich vermute, Ihre Liebe zu meiner Freundin ist eine Art Notlage.«
    »Natürlich. Ich wollte, es wäre jemand anders als Sie, Thomas.«
    »Nun, was soll ich ihr als nächstes sagen? Daß Sie ohne sie nicht leben können?«
    »Nein, das wäre zu emotional. Und es entspricht auch nicht ganz der Wahrheit. Ich müßte natürlich von hier fortgehen. Aber man kommt schließlich über alles hinweg.«
    »Während Sie also nachdenken, was Sie sagen wollen, dürfte ich für mich selbst ein Wort einlegen?«
    »Aber selbstverständlich. Das ist nur recht und billig.«
    »Nun, Phuong«, sagte ich, »willst du mich verlassen und zu ihm gehen? Er wird dich heiraten. Ich kann es nicht. Du weißt, warum.«
    »Gehst du denn fort?« fragte sie, und ich mußte an den Brief des Chefredakteurs in meiner Tasche denken.
    »Nein.«
    »Niemals?«
    »Wie kann man das versprechen? Auch Pyle kann es nicht. Ehen gehen auseinander. Sie zerbrechen oft schneller als eine Affäre wie die unsere.«
    »Ich mag nicht gehen«, erwiderte sie, doch der Satz klang nicht tröstlich; er enthielt ein unausgesprochenes Aber.
    Pyle sagte: »Ich glaube, ich sollte alle meine Karten auf den Tisch legen. Ich bin nicht reich. Aber wenn mein Vater stirbt, dann habe ich ungefähr fünfzigtausend Dollar. Ich bin gesund – darüber besitze ich ein ärztliches Attest, das erst zwei Monate alt ist, und ich kann sie über meine Blutgruppe informieren.«
    »Ich weiß nicht, wie ich das übersetzen soll. Wozu dient es denn?«
    »Nun, damit wir die Gewißheit haben, daß wir miteinander Kinder haben können.«
    »Ist das die Art, wie man in Amerika eine Liebeserklärung macht – Bezifferung des Einkommens und der Blutgruppe?«
    »Das weiß ich nicht, ich habe das noch nie gemacht. Daheim würde vielleicht meine Mutter mit ihrer Mutter sprechen.«
    »Über Ihre Blutgruppe?«
    »Spotten Sie nicht, Thomas. Ich bin wahrscheinlich altmodisch. Wissen Sie, ich fühle mich ein wenig hilflos in dieser Situation.«
    »Ich auch. Meinen Sie nicht, daß wir das Ganze abblasen und um sie würfeln sollten?«
    »Jetzt spielen Sie den Herzlosen, Thomas. Ich weiß doch, daß Sie sie auf Ihre Art genau so sehr lieben wie ich.«
    »Also, dann reden Sie weiter, Pyle.«
    »Sagen Sie ihr, ich erwarte nicht, daß sie mich gleich liebt. Das kommt schon mit der Zeit. Aber sagen Sie ihr, was ich ihr anbiete, ist Sicherheit und Respekt. Das klingt nicht sehr aufregend, aber vielleicht ist es besser als Leidenschaft.«
    »Leidenschaft kann sie sich jederzeit beschaffen«, sagte ich, »mit Ihrem Chauffeur, während Sie im Büro sind.«
    Pyle wurde puterrot. Unbeholfen erhob er sich und rief: »Das ist ein dreckiger Witz! Ich lasse sie nicht beleidigen. Sie haben kein Recht …«
    »Sie ist noch nicht Ihre Frau.«
    »Was können Sie ihr bieten?« fragte er mich wütend. »Ein paar hundert Dollar, wenn Sie nach England abfahren. Oder werden Sie sie mit der Wohnungseinrichtung weitergeben?«
    »Die Wohnungseinrichtung gehört nicht mir.«
    »Das Mädchen auch nicht. Phuong, willst du mich heiraten?«
    »Was ist mit der Blutgruppe?« sagte ich. »Und mit dem Gesundheitszeugnis? Sie werden sicherlich eines von ihr brauchen. Vielleicht sollten Sie meines auch haben. Und ihr Horoskop – aber nein, das ist ein indischer Brauch.«
    »Willst du mich heiraten?«
    »Sagen Sie es auf französisch«, sagte ich. »Der Teufel soll mich holen, wenn ich noch irgendwas für Sie übersetze.«
    Ich stand auf, und der Hund knurrte. Es machte mich wütend. »Sagen Sie Ihrem verdammten Herzog, er soll still sein. Das ist meine Wohnung, nicht seine.«
    »Willst du mich heiraten?« wiederholte Pyle. Ich machte einen Schritt auf Phuong zu, und der Hund knurrte wieder.
    Ich sagte zu Phuong: »Sag ihm, er soll verschwinden und seinen Köter mitnehmen.«
    »Geh mit mir fort«, sagte Pyle. »Avec moi.«
    »No«, sagte Phuong,

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