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Der stille Amerikaner

Der stille Amerikaner

Titel: Der stille Amerikaner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Greene
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Mal; da war er sehr von ihm eingenommen, und mein Vater ist verflixt schwer zufriedenzustellen.«
    Der große schwarze Hund namens Herzog, der schon lange genug gehechelt hatte, um eine Art Rechtsanspruch auf die Luft hier zu erwerben, begann jetzt im Zimmer umherzuschnüffeln. »Könnten Sie Ihrem Hund befehlen, still zu sein?« sagte ich.
    »Ach, entschuldigen Sie. Herzog. Herzog. Setz dich, Herzog.« Herzog setzte sich und begann sich geräuschvoll die Geschlechtsteile zu lecken. Ich füllte unsere Gläser, wobei es mir im Vorübergehen gelang, Herzog in seiner Toilette zu stören. Die Ruhe währte nicht lange. Bald begann er sich zu kratzen.
    »Herzog ist furchtbar intelligent«, sagte Pyle.
    »Was geschah eigentlich mit Prinz?«
    »Wir waren auf der Farm in Connecticut, und dort wurde er überfahren.«
    »Ging es Ihnen nahe?«
    »Freilich war ich sehr traurig. Er hat mir eine Menge bedeutet, aber schließlich muß man vernünftig sein. Nichts hätte ihn mir wiedergeben können.«
    »Und wenn Sie Phuong verlieren, werden Sie dann auch vernünftig sein?«
    »O ja, ich hoffe es. Und Sie?«
    »Ich möchte es bezweifeln. Ich könnte sogar zum Amokläufer werden. Haben Sie darüber schon einmal nachgedacht, Pyle?«
    »Nennen Sie mich doch Alden, Thomas.«
    »Lieber nicht. Der Name Pyle hat für mich – gewisse Assoziationen. Also, haben Sie darüber schon einmal nachgedacht?«
    »Natürlich nicht. Sie sind der anständigste Kerl, der mir je begegnet ist. Wenn ich mich daran erinnere, wie Sie sich verhielten, als ich plötzlich hereinplatzte …«
    »Ich erinnere mich, daß ich knapp vor dem Einschlafen daran dachte, wie vorteilhaft es wäre, wenn jetzt ein Angriff erfolgte und Sie dabei umkämen. Heldentod. Für die Demokratie.«
    »Machen Sie sich nicht über mich lustig, Thomas.« Er rückte unruhig mit seinen langen Beinen. »Ich muß Ihnen wohl ein bißchen doof vorkommen, aber ich merke es, wenn Sie Scherze machen.«
    »Ich mache keine Scherze.«
    »Ich weiß, daß Sie nur Phuongs Bestes wollen, wenn Sie es ehrlich eingestehen.«
    In diesem Augenblick vernahm ich Phuongs Schritte auf der Treppe. Ich hatte gegen alle Wahrscheinlichkeit gehofft, daß Pyle bereits fort sein würde, wenn sie zurückkam. Auch er hörte ihre Schritte und erkannte sie. »Da ist sie ja!« sagte er, obwohl er nur einen einzigen Abend gehabt hatte, um sich ihren Gang einzuprägen. Sogar der Hund erhob sich und stellte sich zur Tür, die ich zur Kühlung offengelassen hatte, fast, als hätte er sie als Mitglied von Pyles Familie anerkannt. Ich war der Eindringling.
    »Meine Schwester war nicht daheim«, sagte Phuong und blickte vorsichtig zu Pyle hinüber.
    Ich fragte mich, ob sie die Wahrheit sprach, oder ob ihr die Schwester befohlen hatte, schleunigst wieder zurückzukommen.
    »Du erinnerst dich an Monsieur Pyle?« sagte ich.
    »Enchantée.« Sie war die Höflichkeit selbst.
    »Ich bin so froh, Sie wiederzusehen«, sagte er errötend.
    »Comment?«
    »Ihr Englisch ist nicht sehr gut«, sagte ich.
    »Und mein Französisch ist verheerend. Ich nehme aber jetzt Unterricht und kann schon verstehen – wenn Phuong nur langsam spricht.«
    »Ich werde den Dolmetscher spielen«, sagte ich. »An den hiesigen Akzent muß man sich erst gewöhnen. Also, was wollen Sie sagen? Setz dich, Phuong. Monsieur Pyle ist eigens deinetwegen hergekommen. Sind Sie auch ganz sicher«, wandte ich mich an Pyle, »daß es Ihnen nicht lieber wäre, ich ließe Sie mit ihr allein?«
    »Nein, ich möchte, daß Sie alles hören, was ich zu sagen habe. Sonst wäre es nicht fair.«
    »Nun, dann schießen Sie los!«
    Feierlich, als ob er diesen Teil seiner Ansprache auswendig gelernt hätte, erklärte er, daß er für Phuong große Liebe und Achtung empfinde. Er habe dies seit jenem Abend gefühlt, als er mit ihr getanzt hatte. Er erinnerte mich ein wenig an einen Butler, der eine Gesellschaft von Touristen durch ein großes Schloß führt. In Pyles Fall war das Schloß sein Herz, und in die Privatgemächer, wo die Familie wohnte, durften wir nur einen kurzen und verstohlenen Blick werfen. Ich übersetzte alles mit peinlicher Genauigkeit – so klang es noch übler; und Phuong saß still daneben, die Hände im Schoß gefaltet, als sitze sie im Kino.
    »Hat sie das verstanden?« fragte Pyle.
    »Soweit ich es beurteilen kann, ja. Sie wünschen nicht, daß ich in Ihre Worte ein bißchen Feuer hineinlege?«
    »O nein«, antwortete er. »Übersetzen Sie bloß. Ich möchte sie

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