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Der stille Amerikaner

Der stille Amerikaner

Titel: Der stille Amerikaner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Greene
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er sich in einem jener Dienste betätigte, die unbegreiflicherweise als geheim bezeichnet wurden. Vielleicht bereitete er amerikanische Waffenlieferungen für eine »Dritte Kraft« vor – für die Blaskapelle des Bischofs, den letzten Rest seines jugendlichen, verängstigten und unbesoldeten Aufgebots. Das Telegramm, das mich in Hanoi erwartet hatte, behielt ich in der Tasche. Es hatte keinen Sinn, Phuong davon zu erzählen, denn dies hätte nur die wenigen Monate, die wir noch vor uns hatten, mit Tränen und Streitereien vergiftet. Selbst meine Ausreiseerlaubnis wollte ich mir erst im letzten Augenblick besorgen, für den Fall, daß sie bei der Einwanderungsbehörde einen Verwandten hatte.
    »Pyle kommt um sechs«, sagte ich zu ihr.
    »Dann werde ich zu meiner Schwester gehen«, erwiderte sie.
    »Nein, bleib hier, ich glaube, er möchte dich gerne sehen.«
    »Er mag weder mich noch meine Familie. Während du fort warst, besuchte er meine Schwester nicht ein einziges Mal, obwohl sie ihn eingeladen hatte. Sie war sehr gekränkt.«
    »Du brauchst wirklich nicht wegzugehen.«
    »Wenn er mich hätte sehen wollen, hätte er uns beide ins ›Majestic‹ eingeladen. Er will mit dir allein sprechen – über das Geschäft.«
    »Was für ein Geschäft hat er?«
    »Es heißt, er importiert eine ganze Menge Dinge.«
    »Was für Dinge?«
    »Drogen, Medikamente …«
    »Die sind für die Trachom-Bekämpfung im Norden bestimmt.«
    »Möglich. Die Zollbeamten dürfen die Sendungen nicht öffnen. Sie sind Diplomatengepäck. Aber einmal kam ein Irrtum vor – der Mann wurde entlassen. Der Erste Sekretär der Gesandtschaft drohte, alle Einfuhren zu stoppen.«
    »Was war in der Kiste?«
    »Kunststoff.«
    »Du meinst nicht etwa Bomben?«
    »Nein. Nur Kunststoff.«
    Als Phuong gegangen war, schrieb ich einen Brief nach Hause. Ein Mann von Reuter reiste in wenigen Tagen nach Hongkong und konnte den Brief dort aufgeben. Ich wußte, daß mein Appell aussichtslos war, aber ich wollte mir nicht später den Vorwurf machen, daß ich nicht alles unternommen hatte, was in meiner Macht stand. Ich schrieb dem Chefredakteur, daß dies ein ungünstiger Augenblick zur Ablösung des Korrespondenten sei. General de Lattre liege in Paris im Sterben; die Franzosen dächten daran, sich ganz aus Hoa Binh zurückzuziehen; nie sei der Norden in größerer Gefahr gewesen als gerade jetzt. Ich eignete mich nicht zum Auslandsredakteur, schrieb ich ihm – ich war Berichterstatter, ich hatte über nichts eine wirkliche Meinung. Auf der letzten Seite meines Briefes führte ich sogar persönliche Gründe ins Treffen, obwohl es unwahrscheinlich war, daß sich unter den grellen Lampen, inmitten der grünen Augenschirme und der stereotypen Phrasen – »das Interesse des Blattes«, »Die Situation fordert …« – irgendein menschliches Mitgefühl halten konnte.
    Ich schrieb: »Aus rein privaten Gründen bin ich sehr unglücklich darüber, daß ich von Vietnam wegversetzt werde. Ich glaube nicht, daß ich in England, wo ich nicht nur finanzielle, sondern auch familiäre Schwierigkeiten haben würde, mein Bestes für unsere Zeitung zu geben imstande wäre. Wenn ich es mir leisten könnte, würde ich sogar lieber auf meinen Posten verzichten als nach Großbritannien zurückkehren. Dies erwähne ich nur, um zu zeigen, wie stark meine Einwände sind. Ich glaube sagen zu dürfen, daß Sie mit meiner Arbeit als Korrespondent nicht unzufrieden gewesen sind; und dies ist die erste Gefälligkeit, um die ich Sie bitte.« Dann sah ich meinen Artikel über die Schlacht von Phat Diem durch, damit ich ihn mit dem Brief und aus Hongkong datiert an die Zeitung absenden konnte. Die Franzosen würden jetzt keinen ernsthaften Einspruch erheben – die Belagerung war aufgehoben worden: Eine Niederlage konnte als Sieg ausposaunt werden. Dann zerriß ich die letzte Seite meines Briefs an den Chefredakteur. Es war zwecklos – die »privaten Gründe« würden nur zu schlüpfrigen Witzen Anlaß geben. Jeder Korrespondent besaß, so wurde angenommen, an Ort und Stelle eine Freundin. Der Chefredakteur würde mit dem Nachtredakteur witzeln, und dieser wiederum würde den Gedanken voll Neid in seine Vorstadtvilla heimtragen und damit zu seiner treuen Gattin ins Bett steigen, die noch aus seiner Jahre zurückliegenden Glasgower Zeit stammte. Ich konnte mir das Haus, das kein Mitleid kennt, so gut vorstellen: In der Diele stand ein beschädigtes Dreirad, und irgend jemand hatte seine

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