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Der stille Amerikaner

Der stille Amerikaner

Titel: Der stille Amerikaner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Greene
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eine Vorpostenstellung vorübergehend in die Hände der Vietminh.‹«
    »Eine unerfreuliche Aussicht.«
    »Zwischen uns und Saigon stehen vierzig solcher Türme. Wir haben also die Chance, daß es einen anderen erwischt.«
    »Jetzt könnten wir diese belegten Brote brauchen«, sagte Pyle. »Ich meine doch, daß einer von den Burschen Ausschau halten sollte.«
    »Er fürchtet sich, daß eine Kugel hereinschauen könnte.« Mittlerweile hatten wir uns auf dem Boden ausgestreckt, worauf die Spannung der beiden Vietnamesen ein wenig nachließ. Ich empfand Mitleid mit ihnen: Für zwei schlecht ausgebildete Soldaten war es keine leichte Aufgabe, Nacht für Nacht hier oben zu sitzen und nie zu wissen, wann sich die Vietminh durch die Reisfelder an die Straße heranmachen würden. Ich sagte zu Pyle: »Glauben Sie, wissen die zwei, daß sie für die Demokratie kämpfen? Wir sollten Ihren York Harding da haben, um es ihnen zu erklären.«
    »Immer machen Sie sich über Harding lustig«, sagte Pyle.
    »Ich mache mich über jeden lustig, der so viel Zeit damit vergeudet, über etwas zu schreiben, was gar nicht existiert – über geistige Konzeptionen.«
    »Für ihn existieren sie. Haben Sie denn keine geistigen Konzeptionen? Zum Beispiel Gott?«
    »Ich habe keine Veranlassung, an einen Gott zu glauben. Haben Sie eine?«
    »Ja. Ich bin Unitarier.«
    »An wie viele Millionen Arten von Gott glauben die Menschen? Ja, sogar ein Katholik glaubt jeweils an einen ganz anderen Gott, wenn er erschrocken oder glücklich oder hungrig ist.«
    »Wenn es einen Gott gibt, dann ist er vielleicht so unermeßlich groß, daß er jedem Menschen anders erscheint.«
    »Wie der riesige Buddha in Bangkok«, sagte ich. »Man kann ihn nicht mit einem Blick in seiner ganzen Größe überschauen. Doch der hält wenigstens still.«
    »Ich meine, Sie versuchen bloß, den Abgebrühten zu spielen«, sagte Pyle. »An irgend etwas müssen Sie doch glauben. Niemand kann ganz ohne Glauben weiterleben.«
    »Oh, ich bin kein Anhänger von Bischof Berkeley. Ich glaube daran, daß mein Rücken an dieser Wand lehnt. Ich glaube daran, daß dort drüben eine Maschinenpistole ist.«
    »Das habe ich nicht gemeint.«
    »Ich glaube sogar, was ich berichte, und das ist mehr, als die meisten Ihrer Zeitungskorrespondenten tun.«
    »Zigarette?«
    »Danke, ich rauche nicht – außer Opium. Aber geben Sie den Wachtposten eine. Es ist besser, wir erhalten uns ihre Freundschaft.« Pyle stand auf, bot den Soldaten Zigaretten an, gab ihnen Feuer und kam dann zurück. »Ich wollte, Zigaretten hätten eine symbolische Bedeutung ähnlich wie Salz«, sagte ich.
    »Trauen Sie ihnen denn nicht?«
    »Kein französischer Offizier würde gern mit zwei verängstigten Vietnamesen die Nacht in einem solchen Turm zubringen. Ja, es ist bekannt, daß sogar schon ein ganzer Zug Soldaten seine Offiziere ausgeliefert hat. Bisweilen haben die Vietminh mit einem Megaphon mehr Erfolg als mit einem Panzergewehr. Ich kreide ihnen das nicht übel an. Sie glauben auch an nichts. Sie, Pyle, und Ihre Gesinnungsgenossen versuchen einen Krieg zu führen mit Hilfe von Menschen, die daran einfach nicht interessiert sind.«
    »Sie wollen keinen Kommunismus.«
    »Sie wollen genug Reis«, sagte ich. »Sie wollen nicht erschossen werden. Sie wollen, daß ein Tag ungefähr dem anderen gleicht. Sie wollen nicht, daß wir Weißen hier sind und ihnen sagen, was sie wollen.«
    »Wenn Indochina geht …«
    »Diese Walze kenne ich zur Genüge. Dann geht auch Siam, geht Malaia, geht Indonesien. Was heißt ›geht‹? Wenn ich an Ihren Gott glaubte und an ein Leben im Jenseits, würde ich meine künftige Harfe gegen Ihre goldenen Krone wetten, daß es in fünfhundert Jahren kein New York und kein London geben mag, doch auf diesen Feldern werden die Bauern noch immer ihren Reis pflanzen, sie werden ihre Erzeugnisse an langen Stangen zum Markt bringen und dabei ihre spitzen Hüte tragen. Und die kleinen Jungen werden auf den Büffeln reiten. Ich mag die Büffel; sie können unseren Geruch, den Geruch von Europäern, nicht ausstehen. Und vergessen Sie nicht: In den Augen eines Büffels sind Sie auch ein Europäer.«
    »Die Leute werden gezwungen werden, das zu glauben, was man ihnen vorredet; sie werden nicht selbständig denken dürfen.«
    »Denken ist Luxus. Glauben Sie, der Bauer sitzt da und denkt an Gott und an die Demokratie, wenn er abends in seine Lehmhütte zurückgekehrt ist?«
    »Sie reden, als ob es im ganzen Land nur

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