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Der stille Amerikaner

Der stille Amerikaner

Titel: Der stille Amerikaner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Greene
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Er schien überhaupt keinen Platz einzunehmen: Er erinnerte an das fettdichte Papier, das je zwei Lagen Keks in einer Dose trennt. Das einzige Körperhafte an ihm war sein gestreifter Flanellpyjama. »Monsieur Chou?« fragte ich.
    Er sah mich mit dem abwesenden Blick des Opiumrauchers an: Die eingefallenen Wangen, die Handgelenke eines Babys, die Arme eines kleinen Mädchens – ihn auf diese Körpermaße einschrumpfen zu lassen, dazu hatte es vieler Jahre und vieler Pfeifen bedurft. »Mein Freund, Monsieur Dominguez, sagte mir, Sie hätten mir etwas zu zeigen. Sie sind doch Monsieur Chou?«
    O ja, meinte er, er sei Monsieur Chou, und er lud mich mit einer höflichen Handbewegung ein, wieder Platz zu nehmen. Ich konnte ihm ansehen, daß der Zweck meines Besuchs irgendwo in den verqualmten Winkeln seines Schädels verlorengegangen war. Ob ich nicht eine Tasse Tee wollte? Er fühle sich durch mein Kommen sehr geehrt. Eine weitere Tasse wurde über dem Fußboden ausgespült und mir wie ein glühendes Kohlenstück in die Hand gedrückt – eine Feuerprobe durch Tee. Ich machte eine Bemerkung über den Umfang seiner Familie.
    Er blickte sich ein wenig überrascht um, als ob er sie noch nie von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet hätte. »Meine Mutter«, sagte er, »meine Frau, meine Schwester, mein Onkel, mein Bruder, meine Kinder, die Kinder meiner Tante.« Das Baby hatte sich von meinen Füßen fortgewälzt und lag jetzt strampelnd und quietschend auf dem Rücken. Ich überlegte, wem es gehören mochte. Keiner der Anwesenden schien jung genug – oder alt genug – für seine Erzeugung.
    Ich sagte: »Monsieur Dominguez meinte, es wäre wichtig.«
    »Ah, Monsieur Dominguez. Hoffentlich geht es ihm gut?«
    »Er hat Fieber gehabt.«
    »Ja, es ist eine ungesunde Jahreszeit.« Ich war nicht davon überzeugt, daß er sich überhaupt entsinnen konnte, wer Dominguez war. Er begann zu husten, und unter seiner Pyjamajacke, an der zwei Knöpfe fehlten, vibrierte die straffe Haut über den Rippen wie das Fell einer Buschtrommel.
    »Sie sollten selbst zum Arzt gehen«, sagte ich. Ein Neuankömmling trat zu uns – ich hatte ihn nicht hereinkommen hören. Es war ein junger Mann in einem sauberen europäischen Anzug. Er sagte auf englisch: »Mr. Chou hat nur eine Lunge.«
    »Es tut mir leid …«
    »Er raucht täglich hundertfünfzig Pfeifen.«
    »Eine schöne Menge.«
    »Ja. Der Arzt sagt, es tut ihm nicht gut, aber Mr. Chou ist viel glücklicher, wenn er raucht.«
    Ich murmelte, daß ich ihm das nachfühlen könne.
    »Gestatten Sie, daß ich mich vorstelle: Ich bin Mr. Chous Geschäftsführer.«
    »Und mein Name ist Fowler. Mr. Dominguez hat mich hergeschickt. Er meinte, daß Mr. Chou mir etwas Wichtiges mitzuteilen hätte.«
    »Mr. Chous Gedächtnis hat sehr nachgelassen. Möchten Sie nicht eine Tasse Tee?«
    »Vielen Dank, ich habe schon drei Tassen gehabt.« Unsere Unterhaltung klang wie Frage und Antwort in einem Sprachführer.
    Mr. Chous Manager nahm mir die Tasse aus der Hand und hielt sie einem der Mädchen hin, das wieder den Teesatz auf dem Boden ausschüttete und sie von neuem füllte.
    »Der ist nicht stark genug«, sagte er, nahm die Tasse, kostete, spülte sie sorgfältig aus und goß aus einer anderen Teekanne nach. »Der ist besser, nicht wahr?«
    »Viel besser.«
    Mr. Chou räusperte sich, jedoch nur, um eine gewaltige Menge von Auswurf in einen blechernen Spucknapf, der mit rosa Blüten verziert war, zu befördern. Das Baby kugelte im verschütteten Teesatz hin und her, während die Katze von der Pappschachtel auf einen Koffer hinübersetzte.
    »Vielleicht wäre es besser, wenn Sie mit mir sprechen wollten«, sagte der junge Mann. »Mein Name ist Heng.«
    »Wenn Sie mir sagen …«
    »Gehen wir ins Lagerhaus hinunter«, sagte Mr. Heng. »Dort ist es ruhiger.«
    Ich streckte Mr. Chou die Hand hin, der sie mit einer Miene völliger Überraschung zwischen seinen Handflächen ruhen ließ, dann blickte er in dem menschenerfüllten Raum umher, als versuche er, mich irgendwo einzuordnen.
    Das Geräusch rieselnder Kieselsteine verebbte, während wir die Treppe hinabstiegen. Mr. Heng sagte: »Achtung! Die unterste Stufe fehlt.« Und er ließ eine Taschenlampe aufblitzen, um mir den Weg zu zeigen.
    Da waren sie wieder, die eisernen Bettgestelle und die Badewannen, und Mr. Heng führte mich einen Seitengang hinab. Als er etwa zwanzig Schritte weit gegangen war, blieb er stehen und leuchtete mit seiner Lampe auf einen kleinen,

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