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Der stille Amerikaner

Der stille Amerikaner

Titel: Der stille Amerikaner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Greene
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trommelförmigen Blechkanister. »Sehen Sie das?« sagte er.
    »Was ist damit?«
    Er wandte die Trommel um und zeigte mir die Fabrikmarke: »Diolacton«.
    »Das sagt mir immer noch nichts.«
    Er fuhr fort: »Ich hatte zwei dieser Kanister hier. Sie wurden mit anderem Altmetall in Mr. Phan-Van-Muois Garage aufgesammelt. Kennen Sie ihn?«
    »Nein, ich glaube nicht.«
    »Seine Frau ist mit General Thé verwandt.«
    »Ich begreife noch immer nicht ganz.«.«
    »Und wissen Sie, was das ist?« fragte Mr. Heng, indem er sich bückte und einen langen, hohlen Gegenstand aufhob, der wie ein großer Selleriestengel aussah und im Schein der Taschenlampe wie Chrom glitzerte.
    »Das könnte ein Bestandteil aus einem Badezimmer sein.«
    »Es ist eine Preßform«, erklärte Mr. Heng. Er war offensichtlich ein Mann, dem es ermüdenderweise Vergnügen bereitete, Belehrungen von sich zu geben. Er machte eine Pause, um mir nochmals Gelegenheit zu bieten, meine Unwissenheit zu beweisen. »Sie verstehen, was ich mit einer Preßform meine …«
    »O ja, selbstverständlich, aber ich begreife noch immer nicht …«
    »Diese Preßform wurde in den USA hergestellt. Diolacton ist eine amerikanische Marke. Beginnen Sie jetzt zu verstehen?«
    »Offen gestanden, nein.«
    »Diese Form war schadhaft. Deshalb wurde sie fortgeworfen. Sie hätte aber nicht beim Alteisen landen sollen – ebensowenig wie der Kanister. Das war ein Fehler. Mr. Muois Geschäftsleiter bemühte sich persönlich hierher. Die Preßform konnte ich nicht finden, aber ich gab ihm den anderen Kanister zurück. Ich erklärte ihm, das sei alles, was ich hätte, und er sagte mir, er brauche die Kanister zur Aufbewahrung von Chemikalien. Nach der Preßform erkundigte er sich natürlich nicht – damit hätte er zuviel verraten, aber er sah sich hier gründlich um. Später ging Mr. Muoi zur amerikanischen Gesandtschaft, um Mr. Pyle zu sehen.«
    »Sie scheinen einen recht tüchtigen Geheimdienst zu haben«, sagte ich. Noch immer konnte ich mir nicht vorstellen, was das alles zu bedeuten hatte.
    »Ich bat Mr. Chou, mit Mr. Dominguez in Verbindung zu treten.«
    »Sie wollen also andeuten, daß Sie Pyle und den General in einen gewissen Zusammenhang gebracht haben. Allerdings in einen sehr schwachen«, sagte ich. »Das ist außerdem nichts Neues. Alle Leute stehen hier mit irgendeinem Geheimdienst in Verbindung.«
    Mr. Heng schlug mit dem Absatz gegen die schwarze Blechtrommel, und der Ton hallte unter den Bettgestellen wider. Er sagte: »Mr. Fowler, Sie sind Engländer. Sie sind neutral. Sie sind zu uns allen fair gewesen. Sie bringen Verständnis dafür auf, wenn sich einige von uns auf der einen oder auf der anderen Seite engagieren.«
    »Wenn Sie damit andeuten wollen, daß Sie Kommunist oder ein Vietminh sind – keine Sorge. Ich bin nicht schockiert. Ich habe keine politischen Ansichten.«
    »Wenn hier in Saigon irgend etwas Unangenehmes passiert, wird man uns die Schuld geben. Mein Komitee möchte gern, daß Sie unparteiisch darüber urteilen. Deshalb habe ich Ihnen das hier gezeigt.«
    »Was ist Diolacton?« sagte ich. »Es klingt nach Kondensmilch.«
    »Es hat tatsächlich etwas mit Milch gemeinsam.« Mr.
    Heng leuchtete mit der Taschenlampe in den Kanister hinein. Auf dem Boden lagen Reste eines weißen Pulvers wie Staub. »Es ist einer von den amerikanischen Kunststoffen«, sagte er.
    »Ich habe ein Gerücht gehört, wonach Pyle Kunststoff zur Erzeugung von Spielwaren importiert.« Ich hob die Preßform auf und betrachtete sie. Ich versuchte, im Geiste die Gestalt zu erahnen. Der Gegenstand selbst würde nicht wie dies hier aussehen; dies war sein Negativ, das Spiegelbild.
    »Nicht zur Erzeugung von Spielwaren«, sagte Mr. Heng.
    »Es sieht wie der Teil eines Stabes aus.«
    »Die Form ist ungewöhnlich.«
    »Ich kann mir nicht denken, wozu das Ding dienen könnte.«
    Mr. Heng wandte sich ab. »Ich möchte nur, daß Sie sich merken, was Sie hier gesehen haben«, sagte er, während wir im Schatten des Gerümpelhaufens zurückgingen. »Vielleicht werden Sie eines Tages einen Grund haben, über diese Dinge zu schreiben. Aber dann dürfen Sie nicht sagen, daß Sie den Kanister hier gesehen haben.«
    »Auch nicht die Preßform?«
    »Die Preßform erst recht nicht!«

3
     
    Es ist nicht leicht, zum erstenmal wieder dem Menschen zu begegnen, dem man – wie es so schön heißt – das Leben verdankt. Ich hatte Pyle während meines Aufenthalts im Lazarett der Legion nicht gesehen, und

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