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Der stille Amerikaner

Der stille Amerikaner

Titel: Der stille Amerikaner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Greene
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arbeitet jetzt in Joes Büro. Ich habe eben mir ihr gesprochen. Sie weiß, daß Sie nach Hause berufen worden sind.«
    »Ach so, das«, sagte ich erleichtert. »Das weiß Phuong schon.«
    »Und der Brief Ihrer Frau? Weiß Phuong von dem auch? Ihre Schwester hat ihn gesehen.«
    »Wie?«
    »Während Sie gestern außer Haus waren, kam sie her, um sich mit Phuong zu treffen, und Phuong zeigte ihn ihr. Die Schwester können Sie nicht hinters Licht führen, weil sie Englisch lesen kann.«
    »Ich verstehe.« Es hatte keinen Sinn, auf irgend jemand böse zu sein, der Täter war nur zu offensichtlich ich selbst, und Phuong hatte ihrer Schwester den Brief nur gezeigt, um damit ein bißchen zu prahlen, nicht aus Mißtrauen gegen mich.
    »Du hast das alles schon gestern abend gewußt?« fragte ich Phuong.
    »Ja.«
    »Es fiel mir auf, daß du so still warst.« Ich berührte sie am Arm. »Was für eine Furie hättest du sein können, doch du bist Phuong – du bist keine Furie.«
    »Ich mußte nachdenken«, sagte sie, und es fiel mir ein, wie ich in der Nacht aufgewacht war und an der Unregelmäßigkeit ihres Atems erkannt hatte, daß sie nicht schlief. Ich hatte den Arm nach ihr ausgestreckt und sie gefragt: »Le cauchemar?« Sie hatte in der ersten Zeit nach ihrem Umzug in die Rue Gatinat unter Alpträumen gelitten, doch vergangene Nacht hatte sie bei meiner Frage den Kopf geschüttelt: Ihr Rücken war mir zugewandt, und ich hatte ein Bein zu ihr hinüber geschoben – das war stets der erste Schritt zum Liebesakt. Selbst da hatte ich keine Verstimmung bemerkt.
    »Thomas, können Sie mir nicht erklären, weshalb …«
    »Das ist doch sonnenklar. Ich wollte sie behalten.«
    »Selbst auf ihre Kosten?«
    »Natürlich!«
    »Das ist nicht Liebe.«
    »Vielleicht nicht Ihre Art von Liebe, Pyle.«
    »Ich möchte sie beschützen.«
    »Ich nicht. Sie braucht keinen Schutz. Ich möchte sie um mich wissen, ich möchte sie im Bett haben.«
    »Gegen ihren Willen?«
    »Pyle, sie würde nicht gegen ihren Willen bleiben.«
    »Nach diesem Vorfall kann sie Sie nicht mehr lieben.« So einfältig waren seine Ideen. Ich wandte mich nach Phuong um. Sie war ins Schlafzimmer gegangen und zog die Bettdecke zurecht, auf der ich gelegen hatte; dann nahm sie eines ihrer bebilderten Bücher vom Regal und setzte sich aufs Bett, als ob unsere Unterhaltung sie überhaupt nicht berühre. Ich wußte, welches Buch es war – eine Bilderserie aus dem Leben der Königin Elisabeth. Ich konnte, auf den Kopf gestellt, die Staatskarosse auf dem Weg nach West minster sehen.
    »Liebe ist ein Wort des Westens«, sagte ich. »Wir verwenden es aus sentimentalen Gründen, oder um damit die Tatsache zu verschleiern, daß wir von einer einzigen Frau besessen sind. Diese Menschen leiden nicht an Besessenheit. Sie werden noch Schlimmes durchmachen, Pyle, wenn Sie sich nicht vorsehen.«
    »Ich hätte Sie verprügelt, wenn Sie nicht ihr verletztes Bein hätten.«
    »Sie sollten mir dankbar sein – und natürlich auch Phuongs Schwester. Jetzt können Sie ohne Skrupel auf Ihr Ziel lossteuern – in mancher Hinsicht sind Sie nämlich voller Skrupel, wenn es sich nicht gerade um Kunststoff handelt.«
    »Kunststoff?«
    »Ich hoffe zu Gott, Sie wissen, was Sie da tun. Oh, ich weiß, Ihre Motive sind edel; sie sind es immer.« Er sah verblüfft und argwöhnisch drein. »Ich wünschte manchmal, Sie hätten ein paar schlechte Motive, sie wären dann ein besserer Menschenkenner. Und das gilt auch für Ihr Land, Pyle.«
    »Ich möchte ihr ein anständiges Leben bieten. In dieser Wohnung – riecht es.«
    »Wir unterdrücken den Geruch mit Hilfe von Räucherstäbchen. Ich nehme an, Sie wollen ihr eine Tiefkühltruhe bieten, ein Auto für ihren eigenen Gebrauch, das neueste Fernsehgerät und …«
    »Und Kinder«, sagte er.
    »Vielversprechende, junge amerikanische Staatsbürger, bereit, den Eid auf die Fahne zu leisten!«
    »Und was gedenken Sie ihr zu bieten? Sie wollten sie gar nicht mit nach Hause nehmen.«
    »Nein, so grausam bin ich nicht. Da müßte ich ihr schon die Rückfahrkarte kaufen können.«
    »Sie behalten sie also als bequeme Schlafgelegenheit, bis Sie von hier abreisen.«
    »Sie ist ein Mensch, Pyle, und fähig, über ihr Schicksal selbst zu entscheiden.«
    »Auf Grund falscher Angaben. Ein Kind ist sie noch.«
    »Sie ist kein Kind. Sie ist widerstandsfähiger, als Sie jemals sein werden. Kennen Sie die Art von Politur, die kratzfest ist? So ist Phuong. Sie ist imstande, ein

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