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Der stille Herr Genardy

Der stille Herr Genardy

Titel: Der stille Herr Genardy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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vertraut. Es war sogar ein bißchen beruhigend. Und aufdringlich war er nun wahrhaftig nicht. Verständnisvoll und großzügig war er, fand ich. Fünfzig Mark für die Garage, hundert Mark mehr für die Wohnung. Nachdem ich das Putzwasser ausgekippt hatte, ging ich noch einmal in die Stadt und kaufte für Nicole einen hübschen Pullover. Vorne auf der Brust war ein brauner Pferdekopf aufgestickt. Als Nicole kurz vor sieben heimkam, wurde sie ganz närrisch. Sie fiel mir um den Hals.
    »Den ziehe ich morgen zur Schule an, darf ich?« Sie zog ihn gleich an, nicht erst am nächsten Morgen. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie darin geschlafen. Ich mußte sie förmlich dazu überreden, den Schlafanzug anzuziehen. Als sie dann endlich im Bett lag, setzte ich mich vor den Fernseher. Es lief eine Sendung über Politik. Ich konnte mich nicht darauf konzentrieren, dachte die ganze Zeit über Mutters Gezeter nach und war überzeugt, daß sie so lange auf Anke einreden würde, bis die ihr Angebot zurückzog. Darauf wollte ich nicht warten. Es ging schon auf neun zu. Aber es war wohl noch nicht zu spät für einen kurzen Besuch. Ich schloß die Wohnzimmertür hinter mir ab, als ich in die Diele trat. Dabei kam ich mir richtig schäbig vor. Herr Genardy war so nett, und ich benahm mich wie eine mißtrauische Ziege. Dabei war bei mir wahrhaftig nichts zu holen. Ich schaute noch rasch zu Nicole ins Zimmer, wollte ihr sagen, daß ich für eine halbe Stunde zu Anke ging. Aber sie schlief bereits. Der Pullover lag neben ihrem Gesicht auf dem Kopfkissen. Es sah aus, als habe sie ihre Wange an den Pferdekopf gelehnt.
    Bis nach zehn blieb ich bei Anke, obwohl ich eigentlich schon nach einer Viertelstunde wieder hatte gehen wollen. Es gab nichts zu klären oder zu besprechen. Anke blieb bei dem, was sie mir am Telefon gesagt hatte. Daß Nicole jederzeit nach der Schule zu ihr kommen könne, in den Schulferien auch morgens schon. Ganz egal, ob Mutter sich darüber mokierte oder nicht. Und daß Nicole ihren eigenen Kopf hatte, darüber lachte Anke nur.
    »Ich werde schon mit ihr fertig. Da mach dir nur keine Sorgen.« Ich machte mir aber Sorgen. Ich kam einfach nicht zur Ruhe. Es war, als ob ich mich geteilt hätte. Und die eine Hälfte sprach unentwegt auf die andere ein, versuchte, sie zu beschwichtigen. Jetzt reg dich nicht auf, es ist nichts da, worüber du dich aufregen müßtest. Es war eine Menge da, eine offene Rechnung, eine zerschlagene Uhr. Und der Tod, der dazugehörte, stand noch aus. Für die Zeit, die sie nach der Geburt im Krankenhaus liegen müsse, meinte Anke, solle ich vielleicht mit Frau Kolling reden. Auf Mutter sei kein Verlaß. Wir waren allein, Norbert war zu einem Vereinsabend gegangen. Als ich mich gleich wieder verabschieden wollte, bat Anke:
    »Bleib doch noch ein bißchen, sonst komme ich vor Langeweile um. Und wir haben nun wirklich nicht oft Gelegenheit, uns zu unterhalten.« Dabei zwinkerte sie mir zu, und damit war schon klar, worum die Unterhaltung sich drehen sollte, Mutter oder Männer.
    »Nicole weiß nicht, wo ich bin«, sagte ich,»wenn sie aufwacht…« Sie war einmal aufgewacht, da war ich auch bei Anke gewesen. An einem Samstagabend. Anke lebte zu der Zeit noch bei Mutter, aber Mutter war an dem Abend nicht da. Franz war auch nicht da, als ich aus dem Haus ging. Er hatte einen Neubau übernommen, in dem er nach Feierabend das Bad, einen Kellerraum und die Terrasse fliesen sollte. Arbeit für ein paar Wochenenden. Er hatte mir gesagt, es könne sehr spät werden. Und ich hatte gesagt:
    »Dann geh ich zu Anke. Du hast doch nichts dagegen? Nicole schläft ganz fest.« Zu der Zeit schlief sie nachts schon durch. Anke erzählte von den Einkäufen, die sie nachmittags gemacht hatten, von dem Verkehr in Köln. Kein Durchkommen, sagte sie. Ich konnte mich nicht darauf konzentrieren. Ich sah mich wieder mit ihr sitzen, damals, da war ich auch unruhig geworden, ganz plötzlich. Man läßt ein Baby nicht allein. Es könnte aufwachen und weinen. Nicole war seit Monaten nachts nicht mehr aufgewacht. Aber man sagt einem Mann nicht, daß man aus dem Haus geht und ein kleines Mädchen allein darin zurückläßt, wenn man weiß, daß der Mann kleine Mädchen mag. Aber Franz doch nicht. Der würde sich doch nie an einem Kind vergreifen. Eher würde er sich die Hände abhacken. Würde er? Ich lief heim und sah schon von weitem unser Auto vor dem Haus stehen. Franz war im Kinderzimmer. Er hatte geduscht, trug

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