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Der stille Herr Genardy

Der stille Herr Genardy

Titel: Der stille Herr Genardy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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nie mit einem mit. Und wenn mir einer was schenken will, dann nehme ich das nicht. Herr Genardy wollte mir gestern eine Dose Fanta schenken, als ich mit der Milch aus dem Keller kam. Da meinte er, wenn man richtig Durst hat, geht der von Milch doch nicht weg. Ich habe die Dose aber nicht genommen. Ich habe gesagt, von Limonade kriegt man schlechte Zähne. Ich trinke nur Saft und Milch.« Wahrscheinlich war sie beleidigt gewesen, weil er ihr zusätzlich einen Vortrag übers Fernsehen gehalten hatte.
    »Gut«, sagte ich. Sie wollte zu Denise, ich mußte endlich zum Friedhof. Da blieb ich bis kurz vor fünf, stand einfach nur da. Mir war danach zu weinen, nicht einmal das konnte ich. Und mit Franz reden, wie ich es sonst immer getan hatte – was hätte ich ihm denn noch sagen sollen?
    Ich ging heim und putzte das Fenster in Nicoles Zimmer. Damit war ich noch beschäftigt, als Herr Genardy in seinem alten Auto vorfuhr. Obwohl ich inzwischen genau wußte, daß es sein Auto war, versetzte es mir einen Schock, als ich ihn aussteigen sah. Als er aufs Haus zukam, hätte ich am liebsten laut geschrien. Herr Genardy dagegen schien hocherfreut, mich zu sehen. Er hob die Hand und winkte mir zu, lächelte freundlich dabei. Ich konnte ihn nur anstarren. Er trug einen Blaumann. Eine von diesen blauen Arbeitshosen mit Brustlatz und Trägern. Darunter ein kariertes Hemd. Es war ein dunkles Hemd, aber sauber war es nicht. In der Hand hielt er eine alte, abgegriffene, braune Aktentasche. Mit solch einem Ding war auch Franz zur Arbeit gefahren, vor endlosen Jahren. Die Arbeitshose, bei Franz waren die Hosen weiß gewesen. Es machte keinen Unterschied, es war fast, als käme Franz zurück. Herr Genardy kam ins Haus und klopfte an die Tür von Nicoles Zimmer. Aber er kam nicht herein, selbst dann nicht, als ich ihn dazu aufforderte. Ich mußte vom Stuhl steigen, zur Tür gehen. Dabei konnte ich mich im ersten Moment gar nicht rühren. Aber Herr Genardy war sehr nett und geduldig. Er erkundigte sich zuerst wieder, ob mir nicht gut sei. Meinte gleich anschließend, daß er dann lieber ein andermal mit mir reden würde. Ich sagte:
    »Nein, es geht schon. Ich bin in Ordnung.« Da wiegte er bedächtig den Kopf hin und her.
    »Na, ich weiß nicht. Sie sind sehr blaß, das fiel mir am Montag schon auf. Aber da dachte ich noch, es liegt vielleicht am Lampenlicht.« Er lächelte beruhigend, meinte beinahe scherzhaft:
    »Vielleicht sind Sie nur ein wenig überarbeitet. Sie kommen immer sehr spät heim, nicht wahr?« Ich kam nicht dazu, ihm zu antworten. Er sprach gleich weiter:
    »Viele junge Frauen sind heutzutage einer so großen Belastung ausgesetzt, Haushalt, Beruf, Kind. Ich sehe das oft bei jungen Kolleginnen, wie sie sich völlig aufreiben. Ihre Tochter erzählte mir, Sie sind schon seit sechs Jahren Witwe und kommen ganz allein für das alles hier auf.« Dabei zeigte er in einer großartigen Geste durch die Diele.
    »Ich bin wirklich in Ordnung«, wiederholte ich und biß die Zähne zusammen. Daraufhin kam Herr Genardy zur Sache. Er wollte mit mir nur über die Garage sprechen. Wozu brauchte er eine für die alte Kiste? Die würde den nächsten Winter kaum überstehen, auch nicht in einer Garage. Höherer Beamter bei der Post! Ein Kavalier alter Schule mit erstklassigen Manieren und einer abgewetzten Aktentasche in der Hand. Und ich hätte schwören können, daß sich darin eine Thermoskanne mit einem Restchen Milchkaffee befand. Aber ich hatte nichts dagegen, ihm die Garage auch noch zu vermieten. Er war bereit, mir monatlich fünfzig Mark dafür zu zahlen. Inzwischen war ich fast wieder normal, jedenfalls konnte ich wieder klar denken. Irgendwie war es beruhigend, mit ihm zu reden, nicht nur wegen der fünfzig Mark. Er hatte etwas an sich, eine Ausstrahlung, so nennt man das wohl, eine beruhigende Ausstrahlung. Franz hatte das auch immer gekonnt, mich mit ein paar Worten, mit dem Tonfall seiner Stimme und mit seinem Gesichtsausdruck aus den schlimmen Phantasien reißen. Ich wollte mit Herrn Genardy ins Wohnzimmer gehen und das mit der Garage schriftlich festhalten. Aber er meinte, das könnten wir doch formlos machen oder später einmal. So lange wolle er mich gar nicht aufhalten. Als er bemerkte, daß ich einmal kurz zum Fenster hinschaute, lächelte er wieder, es wirkte ein bißchen spöttisch.
    »Ich sehe, Sie wundern sich über meinen Wagen«, sagte er. Auch seine Stimme klang spöttisch oder eher amüsiert.
    »Da sind Sie nicht die

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