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Der stille Herr Genardy

Der stille Herr Genardy

Titel: Der stille Herr Genardy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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regelmäßig brauchte, in das Kästchen. Aber da war er nicht drin gewesen am Mittwoch. Und der dritte Schlüssel von der Wohnungstür auch nicht. Ich hatte Montag und Dienstag nicht hinter mir abgeschlossen, Zeit genug, sich hier ungestört ein bißchen umzusehen. Gott im Himmel, steh mir bei. Ich verliere noch den Verstand. Die Schlüssel werden irgendwo im Schrank liegen. Der Schrank war vollgestopft mit Papieren, Geschirr, Bettwäsche, Handtüchern. Meine gesamte Garderobe hatte ich darin unterbringen müssen, als ich das Schlafzimmer verkaufte. Und wenn ich in Eile war, dann stopfte ich das eine oder andere Ding irgendwo dazwischen. Ich war seit Jahren in Eile. Nach dem Essen setzte Nicole sich wieder vor den Fernseher. Günther und ich blieben in der Küche. Ich erzählte weiter von Herrn Genardy, nur die angenehmen Seiten. Es waren doch nur angenehme Seiten. Wie freundlich er war, wie verständnisvoll. Daß ich mir von dem Geld für die Garage vielleicht ein Telefon anschließen lassen würde. Daß ich zwar ursprünglich keinen Mann im Haus hatte haben wollen, daß ich jetzt aber eigentlich ganz froh sei. Ich mußte eben den ganzen Schrank ausräumen, jedes Schubfach kontrollieren, hinter jeder Tür nachsehen, die Wäsche, die weiter hinten lag und kaum gebraucht wurde, einmal ausschlagen. Ich war plötzlich sehr müde und stellte das Geschirr einfach nur an die Seite.
    »Sehr zufrieden siehst du aber nicht aus«, stellte Günther fest. Ich war auch nicht zufrieden. Ich wollte raus aus diesem Zustand. Ich wollte, daß er bei mir blieb, wenigstens für die eine Nacht. Ich wollte, daß er mit mir zusammen in den Keller ging, wenn Nicole gleich im Bett lag. Daß er mich in der Diele etwas fragte, so laut fragte, daß man auch bei geschlossener Tür oben deutlich hören konnte, da sprach ein Mann.
    Es war fast schlimmer als an dem Samstag zuvor. Ich hatte keine Angst, das war es nicht. Aber was es war, das wußte ich nicht, und das machte mir angst. In meinem Kopf drehte sich alles, kein Schwindel, nur die Gedanken. Sie kamen so schnell, daß ich bei keinem genau wußte, ob ich ihn selbst dachte. Der Traum von Franz, als er mit Nicole auf dem Arm durch einen Garten ging. Das Unkraut im Garten. Und Kaninchen im Gras. Mißbraucht und erwürgt, und keine Müllsäcke mit alten Tapeten. Schritte über meinem Kopf, nachts um drei. Warum lief er denn mitten in der Nacht da oben herum, und abends hörte man nichts von ihm? Wahrscheinlich ein Vampir. Anke hatte früher Heftchenromane gelesen, verschlungen, einen nach dem anderen. Werwölfe, tausendjährige Ungeheuer und Vampire. Scheußliches Zeug. Ich sollte wirklich einmal hinaufgehen und nach dem Sarg suchen. Ich versuchte, Ordnung in das Chaos zu bringen, und steigerte mich nur noch mehr hinein. Und je mehr ich mich hineinsteigerte, um so mehr zog Günther sich zurück. Er wußte nicht, woran er war, glaubte, ich sei aus irgendeinem Grund sauer auf ihn. Vielleicht war er auch ein bißchen eifersüchtig, nur ein bißchen, weil ich ihn in der Woche zweimal angerufen und Herrn Genardy mit keinem Wort erwähnt hatte. Vielleicht sah er seine Felle davonschwimmen, seine Zeit auf meiner Couch ablaufen. Vielleicht glaubte er, da sei ein ernst zu nehmender Konkurrent eingezogen. Vielleicht, vielleicht auch nicht. Ich hatte das Gefühl, daß es so wäre, aber ich hatte viele Gefühle. Wir redeten eine Weile im Kreis herum, über Gott und die Welt, einen Kinofilm, den Günther sich vor einiger Zeit zusammen mit seinen Kindern in Köln angesehen hatte, der jetzt hier im Kino gezeigt wurde und Nicole bestimmt gefallen würde. Über eine Mülldeponie, eine Gebührenerhöhung und daß Herr Genardy die Säcke auch gleich zur Deponie gefahren haben konnte. Als nebenan die Tagesschau begann, ging Günther ins Wohnzimmer. Ich blieb in der Küche sitzen, furchtbar müde, plötzlich ganz leer im Kopf. Ich hörte, daß Nicole in den Keller ging. Sie kam nach ein paar Minuten zurück, hatte sich nur die Zähne geputzt. Es wäre mir nicht einmal aufgefallen, wenn Günther nicht gefragt hätte:
    »Hast du mal kurz in die Luft gespuckt und bist drunter weg gesprungen? So schnell kann doch kein Mensch duschen.«
    »Ich habe keine Lust zu duschen«, maulte Nicole,»ich würde viel lieber richtig baden. Aber solange die Wohnung nicht fertig ist, geht das noch nicht. Kann ich nicht mal bei dir baden? Du hast doch auch ein richtiges Badezimmer.« Günther lachte leise.
    »Normalerweise lädt man

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