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Der stille Herr Genardy

Der stille Herr Genardy

Titel: Der stille Herr Genardy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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junge Damen zu einem Eis ein«, meinte er,»oder ins Kino. Das wollte ich morgen tun, aber wenn dir ein Wannenbad lieber ist, an mir soll es nicht scheitern.« Von der Küche aus sah ich, wie Nicole auf der Stelle tanzte. Sie fiel ihm sogar um den Hals, hatte so viel Jubel in der Stimme.
    »Morgen früh? Hand drauf? Ich habe nämlich noch was von dem Schaumbad übrig, das Frau Humperts mir geschenkt hat. Ich weiß nicht, wie lange man das aufheben kann. Nachher wird es noch schimmelig.«
    »Wie wäre es, du fragst deine Mutter«, lachte Günther,»ob sie einverstanden ist.« Ich war nicht einverstanden. Mir wurde ganz kalt bei der Vorstellung. Vielleicht war ich ein bißchen zu heftig mit meiner Ablehnung. Nicole war beleidigt. Günther schwieg dazu. Erst als Nicole in ihrem Zimmer verschwunden war, kam er bis zur Küchentür und meinte:
    »Jetzt habt ihr wenigstens beide schlechte Laune. Wenn du lieber allein sein möchtest, dann sag es doch. Du mußt nur den Mund aufmachen, dann bin ich sofort verschwunden.« Ich schüttelte den Kopf.
    »Ich will nicht allein sein«, sagte ich leise.
    »Ich will, daß du bei mir bleibst. Wir gehen hinunter und duschen zusammen.« Er stand noch bei der Tür, runzelte die Stirn, zog leicht überrascht die Augenbrauen hoch und nickte.
    »So?« meinte er,»du willst.« Dann zuckte er mit den Achseln, lachte kurz auf.
    »Das ist ja ganz was Neues. Aber wenn du willst. Okay, warum nicht?!« Ich ging endlich ins Wohnzimmer. Er machte den Fernseher aus und setzte sich zu mir auf die Couch.
    »Jetzt tu mir einen Gefallen, Sigrid, und mach den Mund auf. Wenn ich etwas nicht vertragen kann, dann ist es ein langes Gesicht, von dem ich nicht weiß, warum es so lang ist«, verlangte er.
    »Du hast doch irgendwas.« Als ich ihm nicht gleich eine Antwort gab, wollte er wissen:
    »Traust du mir nicht? So gut solltest du mich inzwischen aber kennen. Oder sehe ich aus wie einer, der sich an Kindern vergreift? Ich habe das gut gemeint eben. Ich habe mir nichts dabei gedacht. Mein Gott, meine Kleine ist genauso alt wie Nicole. Mit der steige ich noch zusammen in die Wanne.«
    »Wie sieht denn einer aus, der sich an Kindern vergreift?« murmelte ich. Günther blies die Luft aus, beugte sich zum Tisch und griff nach seinen Zigaretten. Erst als er sich eine davon angezündet hatte, meinte er:
    »Das spukt dir also im Kopf rum! Es geht dir sehr nahe, was? Na ja, das kann ich verstehen. Wenn man die Betroffenen persönlich kennt, ist es immer eine andere Sache, als wenn man es nur in der Zeitung liest. Aber selbst dann ist es ekelhaft, glaub mir. Wenn man selbst Kinder hat, ist es immer ekelhaft. Ob man nun eine Frau ist oder ein Mann, da ist kein großer Unterschied. Man begreift es einfach nicht. Mir geht es jedenfalls so. Vielleicht beruhigt es dich, wenn ich dir sage, daß die Polizei eine heiße Spur hat. Dettov rief mich heute mittag an. Er meinte, es könne jeden Moment zur Verhaftung kommen. Vielleicht steht es Montag schon groß in der Zeitung.«
    »Wer ist es?« Günther zuckte mit den Achseln.
    »Keine Ahnung, einen Namen hat Dettov mir nicht genannt. Aber vielleicht steht der Montag auch in der Zeitung.«
    »Man weiß ja nicht, was draus wird«, hatte meine Großmutter einmal gesagt,»und deshalb muß man sie in Ruhe heranwachsen lassen, daß etwas aus ihnen werden kann. Man darf sie nicht schlagen. Wer ein Kind schlägt, der schlägt die Zukunft kaputt, den sollte man gleich mit kaputtschlagen.«
    »Und damit ist der Fall dann erledigt«, sagte ich leise. Günther seufzte nachdrücklich.
    »Mein Gott, was erwartest du denn? Soll er gesteinigt werden, gevierteilt? Oder vielleicht lieber mit ein bißchen Benzin übergießen und anzünden, vorher natürlich kastrieren, ohne Narkose versteht sich. Sigrid«, er bemühte sich ganz offensichtlich um Ruhe, sprach in künstlich bedächtigem Ton weiter:
    »Wir leben in einer zivilisierten Nation. Bei uns wird nicht jedem Ladendieb gleich eine Hand abgehackt. Und selbst ein Mörder hat das Recht auf einen fairen Prozeß. Er bekommt seine gerechte Strafe, meistens jedenfalls.« Es wurde mir gar nicht bewußt, daß ich anfing zu nicken, ganz mechanisch einfach nur mit dem Kopf rauf und runter.
    »Und wenn die Polizei sich irrt mit ihrer heißen Spur. Wenn es keine Verhaftung gibt?« Noch einmal stieß Günther einen Seufzer aus, der in der Luft nachzitterte.
    »Dann macht er weiter, das willst du doch sagen. Hast du etwa wieder von deiner Uhr geträumt?«

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