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Der stille Herr Genardy

Der stille Herr Genardy

Titel: Der stille Herr Genardy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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nachmittags ein bißchen spazieren fahren sollten. In den Zoo, an den Rhein, das Wetter war mild. Aber Nicole war es nicht. Vielleicht war sie immer noch beleidigt, weil ich ihr das Baden in Günthers Wohnung nicht erlaubt hatte. Vielleicht war sie eifersüchtig, und es paßte ihr nicht, daß Günther über Nacht bei mir geblieben war. Bis weit nach Mittag war sie ungenießbar. Das begann schon, als sie morgens vor der verschlossenen Tür stand. Daß ich mich auch an den Abenden vorher eingeschlossen hatte, hatte sie nicht bemerkt, weil ich immer vor ihr aufstand. Ich wachte auf, als sie die Klinke niederdrückte und gleich darauf anklopfte. Aber wie! Sie schlug mit der Faust gegen die Tür. Dann schrie sie nach mir. Und als ich ihr öffnete, fauchte sie mich wütend an:
    »Warum schließt du dich denn ein? Das finde ich gemein von dir.« Dann erst sah sie Günther auf der Couch liegen. Er richtete sich auf, wollte etwas sagen. Sie kam ihm zuvor.
    »Haben wir jetzt ein Hotel?« Ich hätte sie zurechtweisen müssen. Doch bevor ich dazu kam, huschte sie an mir vorbei und ging gleich in die Küche. Günther zuckte mit den Achseln. Er schien das nicht weiter tragisch zu nehmen. Nach dem Frühstück bot er ihr eine Partie Schach an. Sie schüttelte den Kopf, knipste an ihren Fingernägeln herum und erklärte patzig:
    »Spiel doch mit Mama. Du kannst ihr ja zeigen, wie es geht.« Dann verzog sie sich in ihr Zimmer, knallte die Tür hinter sich zu. Günther hielt mich am Arm zurück, als ich ihr nachgehen wollte.
    »Laß sie erst mal in Ruhe, Sigrid. Das ist normal, meine Frau hatte anfangs die gleichen Probleme in doppelter Ausführung. Bisher war ich ein Freund des Hauses, ihrer genauso wie deiner. Aber wenn da plötzlich ein Mann in Mutters Bett liegt, sieht die Sache anders aus.« Nach dem Mittagessen wollte Nicole gleich zu Denise gehen. Es war sehr wichtig; sie mußte sich doch überzeugen, ob Denise immer noch wütend auf sie war. Die Fahrt nach Köln konnte ich abschreiben, dabei hatte ich mich schon darauf gefreut. Es war keiner von den zweiten Sonntagen. Aber ich rechnete fest damit, daß Mutter im Laufe des Nachmittages auftauchen würde, um mir einen weiteren Vortrag in Sachen Anstand zu halten. Vielleicht auch, um mir noch einmal persönlich zu sagen, daß ich ein komischer Mensch war, rücksichtslos, krankhaft mißtrauisch und weiß der Himmel was sonst noch. Ich hatte Glück, aber ich hatte ja auch einen neuen Mieter. Es gab keinen Vortrag. Mutter kam tatsächlich, nur hatte sie anderes im Kopf. Sie kam kurz nach drei, wie üblich mit Mara an der Hand, Mara trug ein neues Kleidchen, unter dessen Saum das Windelpaket vorlugte, und weiße Kniestrümpfe. Sie sah putzig aus, richtig sommerlich. Wir hatten gleich nach Mittag die Terrassenmöbel aus dem Keller geholt und uns hinausgesetzt. Mutter setzte sich zu uns, sang ein Loblied auf das herrliche Wetter, schilderte den Spaziergang mit Mara. Erzählte, daß Mara nach Mittag überhaupt nicht geschlafen hatte. Dann hörte sie, daß oben die Balkontür geöffnet wurde, und verrenkte sich fast den Hals in der Hoffnung, Herrn Genardy zu Gesicht zu bekommen. Sie bekam rote Wangen und ein Glitzern in die Augen, als sie sich zu mir herüberbeugte. Dann flüsterte sie:
    »Ich hätte nicht gedacht, daß er auch heute hier ist. Aber wenn es im Haus seines Sohnes so lebhaft zugeht, hier hat er jedenfalls mehr Ruhe.« Günther grinste still in sich hinein. Er ging mit mir in die Küche, als ich den Kaffee aufbrühen wollte.
    »Mach lieber zwei Tassen mehr«, sagte er,»wenn mich nicht alles täuscht, bekommen wir noch einen Gast. Ich bin wirklich gespannt auf ihn.« Er sprach so leise, daß Mutter ihn draußen nicht verstand.
    »Muß ja ein toller Hecht sein, wenn er deine Mutter so beeindruckt.« Dann fragte er, ob er Kuchen holen solle. Mutter hatte nichts mitgebracht.
    »Wie viele Stücke, vier, fünf, sechs?«
    »Sechs«, sagte ich und wollte ihm Geld geben. Er winkte ab, nahm seinen Autoschlüssel.
    »Wir« hatte er gesagt. Und draußen fragte Mutter:
    »Ist das nicht ein herrliches Wetter? Wollen wir nur hoffen, daß es den Sommer über so bleibt. Wenn ich da an das vergangene Jahr denke, das war ja eine einzige Katastrophe. Ich sagte eben noch zu meiner Tochter…« Als Günther mit dem Kuchen zurückkam, saß Herr Genardy bereits mit auf der Terrasse. Mutter hatte mit kurzen Einwürfen über die Kosten der Wiedervereinigung, den neuen amerikanischen Präsidenten (Ich

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