Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war
geeignet wärst, die Daten in Empfang zu nehmen und sie mir sicher und unauffällig zu überbringen.«
Oscar gab Sri den Namen des Mannes, der ihm helfen wollte, und sagte ihr, dass er ein hochrangiger Mitarbeiter in Arvam Peixotos Spionageeinheit sei, dem es möglich sein sollte, eine passende Entschuldigung für ein Treffen mit ihr oder einem ihrer Leute zu finden.
»Ich werde das selbst übernehmen«, sagte Sri.
»Gut. Dann kannst du mir die Daten so schnell wie möglich persönlich überbringen. Wir müssen der schwarzen Propaganda meines Neffen etwas entgegensetzen und seine Behauptungen infrage stellen, bevor sie Fuß fassen können, nicht wahr?«
»Ich werde tun, was ich kann.«
Sri wusste, dass sie damit direkt zu Arvam gehen, ihm alles erzählen und ihn über Oscars Schicksal entscheiden lassen sollte. Es wäre in vielerlei Hinsicht die richtige Vorgehensweise, nicht nur, was ihre eigene Sicherheit betraf. Aber Arvam machte sich für den Abflug zum Saturn bereit und hatte nur wenig Zeit und Geduld, sich mit seinen Gegnern
zu befassen. Wenn er von dieser albernen Verschwörung erfuhr, würde er sie zweifellos dazu nutzen, Oscar zu demütigen und zu erniedrigen, ihn jeden Einflusses zu berauben, den er noch in der Familie haben mochte, und der Fraktion für Frieden und Versöhnung so viel Schaden wie möglich zuzufügen. Und wenn Oscars Ruf ruiniert war, würde Sris ebenfalls darunter leiden. Außerdem verspürte sie immer noch einen Rest Loyalität gegenüber ihrem alten Mentor. Sie würde ihn also vor seiner eigenen Dummheit schützen, indem sie gar nichts unternahm. Sie würde ein paar Tage warten und Oscar dann eine Nachricht schicken, dass sie nicht in der Lage gewesen war, ihm seinen Wunsch zu erfüllen. Sie würde es so aussehen lassen, als sei es nicht ihre Schuld gewesen – vielleicht sollte sie Yamil den Auftrag erteilen, den Beamten umzubringen oder ihn verschwinden zu lassen …
»Es ist nicht schlimm, sich zu fürchten«, sagte Oscar, der Sris Schweigen falsch deutete. »Wir leben in gefährlichen Zeiten. Ich weiß, dass du in deiner Forschungseinrichtung in der Antarktis sicher bist, aber wenn du dich in Brasília aufhältst, solltest du dich in Acht nehmen, meine Liebe. Vielleicht solltest du sogar darüber nachdenken, ob es eine gute Idee ist, deine Söhne mitzunehmen.«
»Alder hat ebenfalls eine Vorladung erhalten.«
Oscars Blick verfinsterte sich einen Moment lang. »Ach ja. Natürlich. Es tut mir leid, meine Liebe. Ich bin im Augenblick sehr abgelenkt.«
»Um mich brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Ich komme schon klar.«
»Du warst immer die Beste von meinen Schülern.«
»Ich werde nie vergessen, wie sehr ich in deiner Schuld stehe«, sagte Sri.
Mit einem Stich des Bedauerns und des Mitleids wurde ihr klar, dass ihre lange Beziehung an ihrem Ende angelangt
war. Hiernach würde jede Schuld, die sie Oscar gegenüber noch empfand, beglichen sein. Stattdessen würde er in ihrer Schuld stehen. Er würde ihr seine Ehre und sein Leben verdanken, auch wenn er es nie erfahren würde.
»Es gibt noch etwas, das ich dir zeigen will, bevor du wieder abfährst«, sagte Oscar. »Die Sache, die Berry wahrscheinlich gefallen würde. Es wird nicht lange dauern.«
Der grüne Heilige führte Sri die Küste entlang zu einem mit Draht eingezäunten Gehege oberhalb der Hochwassermarke.
»Du versuchst es erneut mit den Schildkröten«, sagte Sri.
»Nicht ganz. Zwei der Weibchen, die ich letztes Jahr freigelassen habe, sind zurückgekehrt und haben Eier gelegt. Wenn die Jungen schlüpfen, werden sie die erste Generation heimischer Atlantik-Bastardschildkröten seit mehr als anderthalb Jahrhunderten sein.«
Oscar lächelte mit aufrichtiger, unschuldiger Freude. Er wirkte immer noch kräftig. Gebückt wie ein Affe, seine breiten Schultern mit rosafarbenen und braunen Flecken übersät, von einer erst kürzlich beendeten Phagenbehandlung, die beginnenden Hautkrebs beseitigt hatte. Unbezwingbar und beharrlich.
»Wenn alles hoffnungslos erscheint«, sagte er, »bleibt uns nur noch die Hoffnung. Und manchmal wird unser Glaube daran belohnt. Jetzt geh, meine Liebe, und tu, was du tun musst.«
Sri und ihre Söhne flogen nach Brasília, und beinahe von Anfang an ging alles schief. Auf der Straße vom Flughafen wurde Sris Limousine von zwei Polizeiwagen abgefangen und eingekesselt. Yamil Cho wies den Fahrer an, an den Straßenrand zu fahren, um die Polizisten zu fragen, was sie von ihnen
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