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Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war

Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war

Titel: Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul McAuley
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umgebenden Landschaft, verbrauchten nicht mehr länger sämtliches Wasser, alle Nahrung und Vorräte an Mineralien im Umkreis von hundert oder tausend Kilometern, sondern waren in sich geschlossene Systeme. Wasser und Abfall wurden wiederaufbereitet, und auf Farmtürmen, Dächern und erhöhten Plattformen wurden Nahrungsmittel angebaut. Die Städte waren urbane Inseln, die wie Pest-Quarantänestationen von der regenerierten und wiederhergestellten Wildnis um sie herum isoliert waren.
    Der Gestank der Straße drang durch das Lüftungssystem der Limousine herein und bildete eine schmierige Schicht auf Sris Haut. Schweiß und billiges Parfüm, Weihrauch von Altären und Schreinen, der Rauch der Kochfeuer der Straßenverkäufer, der süßliche Geruch verbrannten Ethanolkraftstoffs. Dutzende verschiedene Musikrichtungen dröhnten aus Lautsprechern, die an den Fahrzeugen um sie herum oder über Ladentüren angebracht waren oder zu den Verkaufsständen gehörten, die sich auf den Bürgersteigen unter
den riesigen Bäumen drängten, die die Alleen säumten. Die Menschen lebten ihr Leben in aller Öffentlichkeit wie Tiere. Überall auf den breiten Bürgersteigen ließen sie sich die Haare schneiden, die Zähne reparieren oder Tätowierungen machen, unterzogen sich Scans, aßen, schauten sich Puppenspiele, Akrobaten oder Tänzer an, lauschten Wanderpredigern, die an Straßenecken schwadronierten, oder beteten an Schreinen am Straßenrand, die einem ganzen Zoo von spirituellen Totemtieren geweiht waren. Für die Proleten war Gaia kein wissenschaftliches Konzept – die miteinander verknüpfte Gesamtheit der Biome der Erde -, sondern eine uralte Gottheit, die zwar mächtig, aber auch verwundbar war. Mit Hilfe des Totemtiers ihrer Wahl riefen sie sie an, damit sie ihr Leben lenken möge, baten um Vergebung für die schweren Wunden, welche die Menschheit ihr zugefügt hatte, und beteten für ihre Erneuerung. In den primitiven Schreinen der Menschen war sie als Aphrodite dargestellt, die auf einer Jakobsmuschel nackt aus dem Meer aufsteigt, als vielarmige Tänzerin, als gewaltige, fruchtbare Mutterfigur oder als lachendes Kind, das durch einen sonnendurchfluteten Wald tanzt.
    Eine gewaltige Kluft der Unwissenheit, die sich durch nichts überbrücken lässt, dachte Sri, während sie durch das Rauchglas ihrer gepanzerten Limousine hindurch das bunte Treiben auf den Straßen beobachtete. Manchmal träumte sie von Seuchen, welche die Menschheit auf ein erträgliches Maß dezimieren würden. Von einem wilden grünen Planeten, auf dem nur zehn Millionen Menschen die Ebenen und Wälder durchstreiften und über die klaren blauen Ozeane segelten. Große, starke, intelligente Menschen, die ein bescheidenes Leben führten, durch ein planetares Netz miteinander verbunden waren und sich mit der Zukunft der Zivilisation befassten. Ein Utopia, in dem jeder so war wie sie.
Milliarden Menschen waren dem Klimawandel und den Kriegen um Wasser und Ackerland zum Opfer gefallen, und während des Umsturzes waren weitere Milliarden ums Leben gekommen, aber das hatte nicht ausgereicht.
    Die eisigen, kahlen Landschaften der Saturnmonde tauchten vor ihrem inneren Auge auf. Die Gärten der Städte und Oasen. Grüne Kathedralen, die den Sieg der Vernunft feierten.
    Ihr wurde bewusst, dass sich der Verkehr verlangsamt hatte und zunehmend staute. Hupkonzerte. Die Rufe frustrierter Fahrer. Das animalische Gebrüll einer Menschenmenge, die sich auf einem Platz versammelt hatte und sich nun über die Straße ergoss. Yamil Cho benutzte sein Headset, um mit jemandem zu reden, und sagte dann zu Sri, dass es ein kleines Problem gäbe, das sich aber vermutlich lösen ließe.
    »Ist es irgendeine Massenversammlung?«
    »Ich glaube, es ist ein Kriegsaufstand, Ma’am.«
    »Ein Aufstand?«
    »Die Menschen werden von der Propaganda angestachelt, und irgendwann entlädt sich ihre Wut. Sie verbrennen Bilder und rufen Slogans. Normalerweise ist es nichts Ernstes. Die Nachrichtenkanäle berichten darüber genauso wie über das letzte Futsal-Spiel.«
    »Ich schaue keine Nachrichten.«
    Sri erinnerte sich an etwas, das Oscar vor langer Zeit zu ihr gesagt hatte, als sie sich ihm gegenüber einmal über die schiere Anzahl der Menschen beschwert hatte, die nichts zur Welt beitrugen, sondern lediglich fleischliche Gefäße für den blinden Fortpflanzungstrieb ihrer Gene waren. Seiner Ansicht nach hatte sich das Mobverhalten ursprünglich entwickelt, als sich die Menschen in Städten

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