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Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war

Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war

Titel: Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul McAuley
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war
natürlich komplett gelogen, aber Macy Minnot konnte das nicht wissen, was das Schöne an der ganzen Sache war. Ach, was würde es ihm für einen Spaß machen, sie zu verwirren! »Da Sie sich länger öffentlich mit ihr unterhalten haben, wissen Sie vielleicht, wie man mit ihr in Kontakt treten kann …«
    Eine schwere Hand legte sich auf seine Schulter. Loc drehte sich um und blickte zu einem mageren jungen Mann hoch, dessen blasses, kantiges Gesicht und wirres schwarzes Haar ihm von den Spionageberichten her bekannt war. »Mr. Jones«, sagte er. »Es ist mir eine Freude, Ihnen endlich einmal persönlich zu begegnen.«
    Newton Jones beachtete ihn nicht weiter, sondern sagte an Macy Minnot gewandt: »Ist diese Witzfigur derjenige, für den ich ihn halte?«
    »Er will, dass ich ihm helfe, Avernus zu kontaktieren.«
    »Hast du ihm gesagt, dass er einen Zug nach Paris nehmen kann und sie wahrscheinlich dort antreffen wird?«
    »Ich wollte ihm gerade sagen, dass man mit Avernus keinen Kontakt aufnehmen kann, sondern dass sie sich selbst mit einem in Verbindung setzt«, erwiderte Macy Minnot.
    Sie wirkte ein wenig pikiert. Offenbar gab es ein paar Meinungsverschiedenheiten zwischen der Jungfrau und ihrem weißen Ritter.
    »Ich habe wichtige Gründe dafür, Avernus zu kontaktieren«, sagte Loc, aber die Gelegenheit war vorbei, und er hatte den Spaß an der Sache verloren. »Leider hat Marisa Bassi äußerst klargemacht, dass Brasilianer und Europäer in Paris nicht willkommen sind. Deswegen hatte ich gehofft, sie würde vielleicht hier sein.«
    »Ich bin überrascht, Mr. Ifrahim. Ich hätte gedacht, dass Sie sich für den Krieg einsetzen würden.«
    »Es wäre nicht das erste Mal, dass Sie sich über meine Motive täuschen, Miz Minnot«, sagte Loc und deutete eine
Verbeugung an. »Ich hoffe sehr, dass wir uns später noch einmal unterhalten können.«
    Vielleicht würde es ihm gelingen, sie hereinzulegen, wenn Mr. Newton Jones sich nicht einmischte.
    Macy Minnot wartete, bis er an ihr vorbeigegangen war, bevor sie ihm hinterherrief: »Ich hoffe, Sie haben kein Problem mit Ratten, Mr. Ifrahim. Sie kümmern sich hier um die Gartenarbeit und halten das ganze Habitat in Schuss. Man kann ihnen nur schwer aus dem Weg gehen.«
    Loc konnte ihr nicht das letzte Wort überlassen. »Über solche kleinen Ärgernisse kann ich durchaus hinwegsehen, Miz Minnot.«
    Die Sache war nur, dass er Ratten tatsächlich nicht ausstehen konnte. Er hasste sie, weil sie ihn an seine Kindheit im Elendsviertel am Rand der Ruinen von Caracas erinnerten. An die armselige Zwei-Zimmer-Wohnung, die direkt auf die verstopfte Straße hinausging. Den stinkenden Rauch der Recyclinghaufen, der über den bröckelnden Gebäuden aufstieg, und die Fliegen, die überall in der stickigen Sommerhitze umherschwirrten – große grüne Fliegen, die über das Essen und die Gesichter der Menschen krochen, und Schwärme von winzigen schwarzen Fliegen, die einem in Haar, Augen und Nase gerieten.
    Wie alle anderen Kinder der Gegend hatte sich Loc etwas Taschengeld damit verdient, dass er Stahlstücke und Drähte aus den Abfallhaufen barg, während riesige Transporter Trümmer aus der alten Stadt brachten, die zwanzig Jahre zuvor von einem Erdbeben zerstört worden war und nun in einen großen Park verwandelt wurde. Loc war all dem entkommen, als er die Aufnahmeprüfungen des öffentlichen Dienstes bestanden hatte. Durch harte Arbeit und unerbittlichen Ehrgeiz hatte er die endlosen Stufen im diplomatischen Dienst erklommen. Aber ganz gleich, wie hoch er aufgestiegen
war, der Geruch von brennendem Abfall oder der Anblick einer Fliege, Kakerlake oder Ratte brachte stets die Erinnerungen an seine Kindheit zurück. Die Recyclinghaufen waren von Ratten bevölkert gewesen. Es war sogar eine Prämie auf sie ausgesetzt worden: ein paar Cents für jedes erlegte Tier. Einige der älteren Jungen hatten sich in Gangs zusammengeschlossen und Jagd auf sie gemacht, aber daran hatte sich Loc nie beteiligt. Er hatte die Ratten damals schon gehasst, und inzwischen hasste er sie noch mehr, und in diesem Habitat hatte er jede Menge Gelegenheit, seine Abneigung gegen sie aufzufrischen. Die Organisatoren des Kongresses hatten ihn und Oberst Angel Garcia im schlechtesten Stockwerk des Habitats untergebracht, direkt über dem Maschinenraum am Grunde des Schachts, in dem es heiß war wie in einem Treibhaus. Riesige bengalische Feigen waren dort zu einem dichten Labyrinth aus glänzenden Blättern

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