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Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war

Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war

Titel: Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul McAuley
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festgehalten.«
    »Ja, ich war dumm genug, Ihnen ein Alibi zu verschaffen, während Ihre Freunde die Drecksarbeit für Sie erledigt haben.«
    Loc Ifrahim gab sich keine Mühe, seine Belustigung zu verbergen. »Wenn Sie mich dann nicht mehr brauchen – ich habe in der Botschaft viel zu tun. Der Botschafter muss dem Senat eine Antwort liefern, da dieser über sämtliche Fakten informiert werden will, die die aktuellen Ereignisse betreffen. Vielleicht sehe ich Sie bei den Anhörungen.«
    »Das bezweifle ich sehr.«
    Avernus hatte Rainbow Bridge bereits wieder verlassen und war auf dem Weg zurück nach Europa. Sri war entschlossen, ihr zu folgen. Vielleicht konnte sie sich das ganze Durcheinander zunutze machen.
    Bevor sie Kallisto verließen, flogen Sri und Alder noch einmal in einem klobigen, kleinen Flugschiff nach Norden zu Avernus’ geheimem Garten. Kallisto war vom Jupiter zu weit entfernt, um von den Gezeitenkräften erwärmt zu werden, wie dies bei Io, Europa und Ganymed der Fall war, und seine Lithosphäre hatte sich nach ihrer Bildung rasch abgekühlt. Die Kruste aus Wassereis war also nicht durch aus dem Innern aufsteigende Ströme oder tektonische Deformation verändert worden und wies nur ein geringfügiges Relief auf. Die Spuren der frühen Phase der heftigen Bombardierung durch Meteoriten waren deshalb noch gut erhalten. Es gab mehrere große Einschlagsbecken – die wichtigsten davon Valhalla und Asgard, mit einer hellen Zentralregion, die von zahlreichen konzentrischen Ringwällen umgeben war, die durch Rinnen oder Furchen mit hellem Untergrund voneinander getrennt wurden. Überall sonst wirkte die Oberfläche des Mondes wie ein gewaltiges altes Schlachtfeld, das
mit Kratern von allen möglichen Formen und Größen übersät war. Viele von ihnen wiesen Morphologien auf, die auf flüssige Ejekta hindeuteten, wie zum Beispiel gelappte Wälle, pfannkuchenartige Formen oder sich strahlenförmig ausbreitender Auswurf, der sich auf älteren Kratern in der Umgebung abgelagert und deren Aussehen verändert hatte.
    Avernus’ Garten war in einer kraterartigen Vertiefung von etwa vierzig Kilometern Durchmesser versteckt. Das Gewicht des Kraterrands, das auf die Eiskruste drückte, hatte dazu geführt, dass sich der Boden nach oben gewölbt hatte und aufgerissen war, wodurch ein Labyrinth aus Anhöhen und Tafelbergen entstanden war, das von flussbettartigen Spalten durchzogen wurde. Alder lenkte das Flugschiff zu einem Ort nahe des Mittelpunkts dieses Labyrinths und führte Sri einen langen, flachen Abhang aus Eisschotter zwischen steil aufragenden Klippen hinunter, die einen Streifen schwarzen Himmels hoch über ihnen einrahmten. Obwohl das Eis hart wie Stein war, hatte es ein wenig Formbarkeit bewahrt. In den tiefsten Regionen der Spalte hatte der Druck der darüber liegenden Masse eine Reihe von glatten, wellenförmigen Erhebungen entstehen lassen, die jeweils etwa zwanzig bis dreißig Meter hoch waren.
    Vor achtzig Jahren hatte Avernus diese Strukturen im Bauch des Kraters mit einem mineralienreichen Staub besprüht, der mit den Samen einer sorgfältig ausgewählten Mischung von Vakuumorganismen versetzt war. Die Organismen hatten sich ausgebreitet und dabei ein buntes Mosaik gebildet, das im Licht der Stirnlampen von Sri und Alders Druckanzügen rosafarben, orange und dunkelrot leuchtete. Jede Farbe deutete auf einen anderen Stamm von Organismen hin, dessen Ausbreitungsfläche von schwarzen Rändern umgeben war, wo benachbarte Stämme versuchten, sich gegenseitig zu überwuchern. Manche waren so glatt wie poliertes
Eis, andere mit Schuppen bedeckt oder von Windungen durchzogen wie Hirnmasse. Aus einigen ragte ein drahtiges Gewirr kristallisierten Eisen(II)-Sulfats hervor, das rot leuchtete wie frisches Blut.
    Die vom Zufallsprinzip bestimmte Schöpfung strahlte eine merkwürdig fremdartige Schönheit aus, die durchaus eindrucksvoll war, obwohl sie offensichtlich keinerlei Zweck erfüllte. Sri hatte das Gefühl, als wäre ihr ein Einblick in die Denkweise der großen Genzauberin zuteil geworden, auch wenn sie noch nicht ganz begriff, was das alles bedeutete. Sie machten Fotos und sammelten noch ein paar Proben, um diejenigen zu ergänzen, die Alder bereits heimlich genommen hatte, als er mit der Gruppe junger Wissenschaftler hier gewesen war. Dann stiegen sie die lange Anhöhe wieder hinauf, flogen mit dem Flugschiff in die Stadt zurück und bestiegen das Shuttle zur Luís Inácio da Silva , die sie nach

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