Der stille Ozean
erschossenen Fuchs. »Berühren Sie nichts«, sagte Ascher. Im geöffneten Maul des Fuchses lag ein nasses Rindenstück, lange Schleimfäden klebten im Fell. »Es ist ein kranker Fuchs. Ich muß den Hund erschießen«, sagte der Mann. Die Frau begann zu weinen. Sie nahm einen Schürzenzipfel und hielt ihn vor das Gesicht.
»Der Fuchs hat ihn gebissen, sehen Sie sich seine Schnauze an«, sagte der Mann.
»Sie können ihn an die Kette hängen und den Tierarzt holen«, widersprach Ascher. »Sie müssen nur darauf achten, daß Sie ihn nicht berühren.«
»Es ist mir zu riskant«, sagte der Mann. »Wer weiß, mit wem der Hund in Berührung kommt.« Er legte das Gewehr an, aber im selben Augenblick hob der Hund den Kopf und blickte dem Mann ins Gesicht. Der Mann zögerte einen Moment, bevor er abdrückte, dann sagte er: »Es tut mir leid.« Er schaute nicht mehr hin, sondern ging mit dem Gewehr in das Haus. Die Frau folgte ihm. Sie blieb vor der Tür stehen und fragte: »Wollen Sie einen Most?« Ascher schüttelte den Kopf. Die Frau verschwand im Haus und kam kurz darauf mit einem Krug Most zurück. Der Mann folgte ihr. Um den Schädel des Hundes hatte sich eine kleine Blutpfütze gebildet. Aus einem alten Kasten, der zu einem Hasenkotter umgebaut worden war, glotzte ein Hase. Holz war in einem Schuppen aufgeschichtet, davor stand eine Kreissäge, um die ein großer Haufen Sägespäne gefallen war. Der Hund lag auf der Seite, die Pfoten hatte er ausgestreckt. Der Mann stellte sich vor ihn und sagte: »Er war ein guter Hund.« Er wandte sich von ihm ab. »Trinken Sie!« forderte er Ascher auf. Das Fell des Fuchses sah aus, als sei es naß geworden. Struppig und zerrissen bedeckte es den mageren, knochigen Körper, die Läufe waren schwarz und seine Ohren innen behaart.
»Ich habe ihn von der Küche aus gesehen«, sagte der Mann. »Er setzte sich einfach in den Hof und wartete. Ich habe das Gewehr geholt, aber er ist noch immer dagesessen. Da bin ich vor das Haus gegangen …«
Er nahm den Krug und trank daraus. »Wir müssen jetzt die Behörde verständigen«, sagte er dann. Ein Bauer kam mit einem Traktor heruntergefahren. Er schaute neugierig durch die Scheibe, stellte den Traktor ab und sprang heraus. »Ich habe einen Schuß gehört …«, sagte er. Er erblickte den Fuchs und den Hund und ging langsamer. »Es ist mir nichts anderes übriggeblieben.« Der Bauer nickte. »Es ist das Gescheiteste.«
»Wir müssen die Behörde verständigen. Ich möchte nichts angreifen«, sagte der Milchfahrer. Er drehte sich zu seiner Frau um und verlangte, daß sie die Behörde anrufe. Als die Frau zögerte, fügte er hinzu: »Es ist unsere Pflicht.« »Am besten, Sie lassen ihn liegen, bis er weggebracht wird.« Ascher hatte, als er in der Stadt gewesen war, nachgelesen, was er über die Tollwut gefunden hatte. »Haben Sie warmes Wasser?« fragte er. »Wir sollten uns die Hände waschen.«
»Einer bleibt bei den Tieren«, antwortete der Mann. Der andere Mann nickte. »Ich greife nichts an«, sagte er. Sie wuschen sich im Haus die Hände. Die Küche war geräumig. Aschers Blick fiel auf zwei weißlackierte Stahlrohrbetten und eine Couch, die entlang der Wand standen. Die Frau mußte seinen Blick bemerkt haben, denn sie sagte: »Hier schlafen die Kinder, sie sind in der Schule.« In einer Ecke stand ein Tisch mit einer hölzernen Bank unter einem farbigen Heiligenbild, auf der gegenüberliegenden Seite eine weißgestrichene Kredenz neben der Abwasch und einem Eisenherd. Eine Tür ging auf und eine kleine Frau mit einem Stock kam heraus. Sie setzte sich an den Tisch unter die Röcke und Kleider, die an der Wand aufgehängt waren.
Die Frau war telefonieren gegangen, und der Mann aß ein Schmalzbrot. »Essen Sie auch«, sagte er. »Wollen Sie einen Schnaps?« Er stand auf und schenkte Ascher ein kleines Glas voll.
»Ich habe ihn selbst gebrannt … Wie schmeckt er Ihnen?« Draußen war es regnerisch und trübe. »Jetzt kommt bald der Schnee«, sagte die alte Frau. Nach einer Stunde bog ein Volkswagen zum Hof ein, fuhr langsam näher und hielt an. Ein kräftiger Mann mit einem Hut stieg aus. Mit Ascher standen jetzt ungefähr zwanzig Menschen im Hof um den toten Hund und den Fuchs. Der Mann grüßte und ging zu den erschossenen Tieren. »Wie ist das geschehen?« fragte er, als er sich hinhockte. Er hörte aufmerksam zu, dann holte er eine Kiste aus dem Auto und zog sich Nylonhandschuhe an. Als er den Hund nahm, weinte die Frau des
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