Der stille Ozean
Mann, mit dem er Karten gespielt hatte, verschwanden. Ascher folgte dem Wirt, der ihn aufforderte, in die Küche zu kommen und sah zu, wie die Frau des Wirtes und deren beide Schwestern kochten. Zwei Schweine und zwei Dutzend Hühner waren geschlachtet und in das Gasthaus gebracht worden, das Fleisch lag gewürzt und paniert in großen Töpfen, Salat wurde in Waschschüsseln angemacht. Später zeigte ihm der Wirt die Tafel in einem Raum, den er als den Ballsaal bezeichnete. Die Decke des Saals stützte sich auf zwei eiserne, weiß gestrichene Säulen, der Bretterboden war gelb. In der Mitte des Raumes stand die Tafel. Vom letzten Ball hing noch buntes Kreppapier zwischen den runden Beleuchtungskugeln.
»Hier haben wir unsere Musikprobe«, führte der Wirt aus. Er zeigte ihm das Podium für die Musik und die Tanzfläche, die sich in der Veranda im Dunkeln befand. Die Musikkapelle hatte schon ihre Lautsprecheranlage aufgestellt. Der Wirt drehte das Licht wieder ab, versehentlich drehte er auch den Schalter für den Ballsaal ab, wodurch sie im Dunkeln standen. Im Dunkeln ging der Wirt voraus. Ascher hörte ihn an Stühle stoßen. »Früher, als mein Vater noch das Gasthaus geführt hat, ist oft gerauft worden. Damals hatten wir auch einen anderen Wein, keinen gerebelten, sondern Direktträger: Den Aramon, den Huntington, den Isabella … wenn die Leute zu viel tranken, wurden sie rauflustig.« Überhaupt habe es fast auf jedem Hügel einen Weinausschank gegeben und einfache Tische und Bänke. Am Sonntag seien die Bauern auf den Wiesen gesessen, manchmal hatte einer Ziehharmonika gespielt. Er schloß die Tür sorgfältig ab. An den Wänden neben der Eingangstür hingen ausgestopfte Vögel: Wildenten, Fasane, Nußhäher, eine Goldamsel, Elstern und Krähen. Auch Geweihe von Rehböcken sah er. Der Wirt war neben ihm stehengeblieben und erklärte, wann welches Tier von seinem Vater geschossen worden war. Er nahm eine silberne Taschenuhr aus seiner Westentasche und zog sie auf, dann stellte er sie vor. »In zwölf Stunden geht sie zehn Minuten nach«, erklärte er. »Heute wird es eine lange Nacht.«
Als die Hochzeitsgesellschaft angetrunken zurückkam, war es dunkel. Sie setzte sich an die Tafel, die mit aufeinandergestellten Suppen- und Speisetellern, Weingläsern, aufgestellten Servietten, Blumen, Gebäck, funkelndem Besteck, einem weißen Tischtuch und einer verzierten Hochzeitstorte gedeckt war, und Ascher machte sich auf den Rückweg. Kaum hatte er das Gasthaus verlassen, als Hofmeister im Hemd auf der Stiege erschien und ihm zurief: »Hereinkommen.« Ascher blieb stehen und Hofmeister wiederholte die Aufforderung.
Die Suppe stand schon in großen verzierten Schüsseln mit Schöpfkellen auf der Tafel.
Nach dem Essen zogen sich die Männer die Röcke aus und saßen da mit ihren weißen Manschettenhemden, die Kragenknöpfe geöffnet, die Krawatten gelockert. Ascher hatte seine Jacke abgelegt. Daß die Hochzeitsgesellschaft zurückgekommen war, hatte ihn fröhlich gestimmt. Auch, daß Hofmeister ihn gebeten hatte, zu bleiben. »Ich habe am 30. April geheiratet«, sagte gerade Zeiners Schwiegervater. »Wir sind – es hat natürlich noch keine Straße gegeben – zu Fuß in die Kirche gegangen. Die Bäume haben geblüht. Was blüht im April? Ich glaube, Kirschen und Marillen … die Wiesen sind von gelbem Löwenzahn übersät gewesen … Zuerst haben wir die Braut geholt. Dann sind wir mit ihr, sie war weiß gekleidet, fast eine Stunde zur Kirche gegangen. Unterwegs sind wir in den Häusern, an denen wir vorbeigekommen sind, eingekehrt. Manche waren schon vom Most und dem Wein, den wir überall bekommen haben, betrunken. Gefeiert haben wir zu Hause. Wir haben uns Tische und Bänke ausgeliehen, auch Besteck und Geschirr. Frauen aus der Umgebung haben gekocht. Bekannte haben aufgespielt. Hier hat es immer Musikanten gegeben, wir sind fröhliche Menschen. So war das.« Die Kapelle hatte einen Walzer zu spielen begonnen, der Bräutigam hatte mit der Braut getanzt, und die Hochzeitsgäste waren dem Beispiel gefolgt. Er sah den Landarbeiter mit Hofmeisters Frau sich in blitzschnellen Bewegungen drehen, so daß sie lachend den zahnlosen Mund öffnete. Nach dem Tanz taumelte sie, mit einer Hand ihren Kopf stützend, zu ihrem Sessel zurück. Ascher schenkte sich aus einer großen Karaffe Wein ein. Einmal, bei der Damenwahl, trat die Witwe an ihn heran und tanzte mit ihm den Schneewalzer. Er war erstaunt, wie
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