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Der stille Sammler

Der stille Sammler

Titel: Der stille Sammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Becky Masterman
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sein.
    »Hätten Sie was dagegen, wenn wir mitkommen?«, fragte Coleman.
    Er sagte nicht Nein, also folgten wir ihm.
    Das Wort »Elend« war eigens für das Innere des drei Meter breiten und sechs Meter langen Wohnwagens erschaffen worden. Im Lauf der Zeit hatte der Wüstenstaub einen Weg hineingefunden und sich mit Haaröl und diversen Ausdünstungen zu einer dicken Patina auf der Rückenlehne der schäbigen Couch vereinigt. Ein Gewirr aus den Laschen und Ringen zahlloser Aluminiumdosen übersäte das Holzfurnier des Wohnzimmertisches. Der Küchenbereich roch, als wartete er nur darauf, Feuer zu fangen.
    Lynch führte uns nach rechts zu einem Schlafraum, wo das Brüllen der Klimaanlage erträglicher war. Die vom Wüstensand milchigen Fenster erweckten in mir ein Gefühl von klaustrophobischer Enge.
    »Er und sein Bruder haben hier gewohnt, bevor er weggegangen ist«, sagte Lynch.
    Das einzige Möbelstück im Raum war eine Matratze, die für zwei heranwachsende Jungen vermutlich zu klein geworden sein musste. Auf der Matratze lag ein zerknülltes Laken. Sowohl Matratze als auch Laken waren schmutzig grau. Ein kleiner Haufen Kleidung in einer Ecke stellte wohl den Kleiderschrank dar. Die einzigen anderen Gegenstände im Raum waren fünf große Pappkisten, jede kleiner als die vorhergehende, die übereinandergestapelt bis fast unter die Decke reichten. Auf dem Rand des größten, untersten Kartons stand eine leere Flasche Jack Daniel’s.
    Lynch nahm eine Kiste nach der anderen herunter und schaute in jede einzelne. Dann reichte er sie an Laura Coleman weiter, die sie mutig in einer anderen Ecke des Zimmers aufstapelte. Als Lynch bei der untersten Kiste angekommen war, hielt er inne und bückte sich. Die Kiste war versiegelt.
    Ich fragte mich, was darin sein mochte. Ein Marmeladenglas mit abgeschnittenen Ohren in Spiritus? Oder vakuumversiegelt in einer Tüte? Oder wenigstens irgendetwas, das Floyd Lynch mit dem Mann in Verbindung brachte, der versucht hatte, mich zu töten?
    Wilbur Lynch schien einen Moment zu zögern, unschlüssig, ob er die Kiste öffnen sollte oder nicht und ob wir dabei sein durften. Dann zog er ein Taschenmesser aus der Hosentasche und klappte die Klinge auf. Er durchtrennte das Klebeband, das die beiden Klappen zusammenhielt, und schlug sie zurück.
    Die Kiste war lose gepackt, sodass Lynch den Inhalt mit dem Taschenmesser hin und her schieben konnte. Wir beugten uns vor und schauten hinein. Es waren Kriminalromane, Pornos und Thriller- DVD s.
    »Wie ich schon sagte, er hat gerne gelesen«, murmelte Lynch. Er kramte mit der Messerklinge in der Kiste wie jemand, der nicht mit der bloßen Hand in ein dunkles Loch greifen will, mit einer Mischung aus Neugier und Angst. Dann nahm er ein paar Dinge heraus und legte sie neben der Kiste auf den Boden, während Coleman und ich seine Reaktion beobachteten, als er einen Gegenstand nach dem anderen zutage förderte.
    Eine DVD von National Geographic mit einer Dokumentation über Mumien. Lynch las die Rückseite leise vor, als wäre er allein, und legte die DVD dann neben der Kiste auf den Boden. Als Nächstes kam ein Hefter. Lynch schlug ihn auf und blätterte ausgedruckte Wikipedia-Artikel über Serienkiller durch. Ich stand hinter ihm, schaute ihm über die Schulter und konnte ein paar Namen entziffern: Ted Bundy, der Green-River-Killer, Jeffrey Dahmer, der BTK -Killer, der Son of Sam, der Route-66-Killer. Außerdem ein Artikel über Natron, seine Verwendung und Beschaffungsmöglichkeiten sowie der Ausdruck einer kompletten, allgemein gehaltenen Homepage über Serienkiller mitsamt Forum. Augenscheinlich unbeeindruckt von diesen Dingen, legte Lynch den Hefter auf die DVD und wandte sich wieder dem Inhalt der Kiste zu.
    Irgendetwas, das zwischen Kartonwand und Büchern hervorlugte, weckte seine Aufmerksamkeit. Er nahm es mit der Messerklinge auf, zog es aus der Kiste und blickte darauf. Es war eine schäbige alte Hundeleine mitsamt Halsband, braun und mit silbernen Nägeln beschlagen.
    »Was ist damit?«, fragte ich.
    »Das Halsband ist von unserem Hund, Barky. Ein braves Tier. Die Jungs erzählten, er wäre weggerannt, aber vielleicht trügt mich meine Erinnerung.« Lynch wirkte wie benommen. Diesmal lachte er nicht.
    »War der Hund noch hier, als Floyd damals mit seinem Truck zu Besuch kam?«, fragte ich behutsam.
    Das brachte das Fass zum Überlaufen. Seine sorgfältig aufrechterhaltene Fassade bröckelte, als habe er bis zu diesem Moment die

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