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Der stille Sammler

Der stille Sammler

Titel: Der stille Sammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Becky Masterman
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erscheinen, und rannte aus dem Schlafzimmer in den Wäscheraum, wo die Laken auf dem Boden lagen. Ich öffnete die Waschmaschine und sah meine Sachen, die ich an dem Tag getragen hatte, an dem ich Peasil getötet hatte. Ich hatte sie in der Maschine vergessen. Sie lagen nicht plattgedrückt an der Trommelwand an, wie normalerweise nach dem Schleudern, sondern waren herausgenommen und wieder zurückgelegt worden. Jemand hatte sie sich angeschaut.
    Plötzlich spürte ich, dass Carlo hinter mir stand. Er achtete darauf, mir nicht zu nah zu kommen.
    Ich wollte ihm alles erzählen, angefangen bei meinem Eintritt ins FBI vor dreißig Jahren bis zu Zachs Selbstmord am heutigen Morgen – stattdessen kam mir nur ein dümmliches »Normalerweise machst du doch gar keine Wäsche« über die Lippen, während ich auf einen hellroten Fleck in der Baumwollbluse starrte, der trotz Bleiche beim Waschen nicht herausgegangen war.
    Carlos Stimme klang gekränkt. »Ich wollte dir zur Hand gehen«, sagte er. »Du warst irgendwie nicht mehr du selbst nach deinem … deinem Sturz .«
    Ich drehte mich um und blickte ihn an. Das frische Blut auf meiner Bluse war vergessen. Verglichen mit dem, was Carlo jetzt über mich wusste, war es geradezu trivial. Er schien das Blut gar nicht zu sehen. Ich wollte die Hand heben, wollte ihm flehend über die Wange streichen, brachte aber nicht den Mut auf, ihn zu berühren.
    Ich brauchte ihn gar nicht erst zu fragen, was er wusste, denn er deutete auf die Maschine und sagte: »Ich wollte die Sachen in den Trockner tun, aber nach so langer Zeit waren sie schon trocken. Dabei habe ich die Flecken gesehen. Ich weiß nicht, ob sie noch rausgehen.«
    Er sagte diese banalen Dinge, doch er schaute mich flehend an, bettelte um eine Erklärung, die seine Gedanken widerlegte.
    »Er …«, begann ich.
    Vielleicht hatte ich erwidern wollen, dass ich von diesem Drecksack überfallen worden war und ihn in Notwehr getötet hatte, doch irgendetwas sagte mir, dass es keine Rolle mehr spielte. Es zählte nur noch, dass ich einen Menschen getötet und es Carlo verschwiegen hatte.
    Ich drehte mich um, öffnete die Schranktür und zog die Schachtel hervor, in der wir die Müllsäcke aufbewahrten. Ich nahm einen Sack, sammelte die Wäsche aus der Maschine – einschließlich Hut, Handschuhen und Schuhen – und stopfte alles hinein. Dann warf ich die Tür der Waschmaschine zu, gab noch etwas Bleiche ins Vorratsfach, um jegliche verbliebene Spur von Peasil auszulöschen, und startete das Waschprogramm. Anschließend ging ich mit dem Müllsack ins Schlafzimmer. Ich stopfte zwei Jeans, ein halbes Dutzend T-Shirts und alle Sachen aus meiner Wäscheschublade hinein. Als Nächstes kamen das Badezimmer und mein Make-up-Fach an die Reihe, in dem ich meine Medikamente aufbewahrte. Ich nahm die Flasche Tylenol heraus, in der ich meine Schlaftabletten versteckte. Ins Schlafzimmer folgte Carlo mir nicht. Ich erwartete es auch gar nicht.
    Als ich fertig war, schnappte ich mir die Wagenschlüssel und meine Umhängetasche. Ich wollte es so kurz und schmerzlos wie möglich machen, um unser beider willen. Carlo saß zusammengesunken in seinem Lehnsessel, wo er normalerweise las, und blickte mich noch immer flehend an. Bettelte mich an, ihm etwas zu geben, was ich ihm nicht geben konnte, und eine Frau zu sein, die ich nicht war.
    »Bitte«, sagte er. »Sprich mit mir.«
    »Soll ich dir mal was sagen?«, erwiderte ich so schroff ich konnte, während mein Herz einen kleinen Krampf erlitt, der meiner Stimme ein wenig von der Härte nahm. »Bei mir funktioniert das nicht.«
    Ich wandte mich ab, trotz des kläglichen Beiklangs seiner Stimme, als er irgendetwas sagte, das sich anhörte wie: »Bitte, geh nicht.«
    Und ich ging. Ich ging.

34.
    Mir hätte klar sein müssen, dass es früher oder später so weit kommen würde, doch ich war trotzdem überrascht, wie schnell Beziehungen enden. Man verbringt über ein Jahr damit, einander kennenzulernen, Vertrauen zu entwickeln, und in drei Minuten ist alles vorbei. Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, ich hätte vielleicht klarer gedacht, wäre Zach nicht wenige Stunden zuvor in meinen Armen gestorben. Als ich im Wäschezimmer gestanden hatte, war ich wie ein Boxer gewesen, der angeschlagen durch den Ring taumelt und nach einem Schlag in die Nieren sofort von einer scharfen Rechten am Kinn getroffen wird. Die Kombination hatte mich voll erwischt. Mein Bewusstsein schien sich wiederholt aus mir

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