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Der stille Schrei der Toten

Der stille Schrei der Toten

Titel: Der stille Schrei der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Ladd
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Jeff City zurückerwarteten.
    Um acht Minuten nach sechs stieg ich in den Explorer und verließ das Gelände von Cedar Bend. Müde und gegen einen jener Migräneanfälle ankämpfend, die mich seit ein paar Jahren plagten, kam ich zu dem Schluss, dass es nicht gerade rosig um Nicholas Black stand.
    Bis jetzt war er die einzige Person, die an diesem Tag oder dem Tag zuvor den Bungalow des Opfers betreten hatte. Und er hatte Sylvie im Lauf ihres zweiwöchigen Aufenthalts noch fünf weitere Male besucht, zusätzlich zu den Therapiesitzungen in den Privaträumen seiner Luxusherberge. Außer ihm war niemand im Umfeld des Bungalows der Toten gesichtet worden. Sylvie selbst war auf den Bändern auch nicht zu sehen gewesen, aber ich hatte noch einen ganzen Stapel davon als Hausaufgabe mitgenommen.
    Dichter Verkehr herrschte auf der Bagnell-Staumauer, als ich sie überquerte. Auf dem See tummelten sich zahlreiche Boote, von denen viele Wasserskiläufer hinter sich im weiß schäumenden Kielwasser herzogen. Dazwischen schossen wie lästige Mücken überall Wassermotorräder hin und her. Der Monat Juli war der turbulenteste hier am See, und die CedarBend-Regatta und Blacks traditionellerweise am vierten Juli stattfindendes Feuerwerk, das draußen auf dem See von Barkassen aus abgebrannt wurde, zogen Besucher in hellen Scharen an. Die in den großen Ferienanlagen stattfindenden Tagungen noch gar nicht mitgezählt. Der Portier von Cedar Bend hatte mir gesagt, dass allein dort in jener Woche vier Tagungen stattfänden; fünfzig weitere seien schon geplant, ehe die große Neujahrsgala anstand, die Black für Freunde und Klienten veranstaltete, mit einem noch pompöseren Feuerwerk, Unmengen von Champagner und geladenen Medienvertretern.
    Heute war ich ganzen Trauben von Tagungsgästen begegnet, alle angetan mit Shorts, schwarzem Panamahut und Tagungskarte, aber sie müssten schon Fertigkeiten à la James Bond draufhaben, um in einen der Bungalows einfach so einzudringen. Trotzdem würde man die Teilnehmerlisten noch überprüfen müssen.
    Mein Kopf dröhnte mittlerweile. Der Verkehr war kaum auszuhalten, und ich musste meinen Wunsch unterdrücken, die Sirene einzuschalten, das Blaulicht aufs Dach zu knallen und auf der Standspur nach Hause zu brettern. Ein besonders langsam dahinkriechender Minivan ging mir dermaßen auf die Nerven, dass mir etliche unfreundliche und durchaus drastische Bemerkungen über die Lippen kamen, aber ich wurde in keiner Weise ausfallend, schrie nicht herum und machte auch keine obszönen Gesten. Letztlich weiß ich mich dann doch zu benehmen.
    Endlich dann, endlich verließ ich den Highway 54 und bog rechts ab auf die private Schotterstraße, die ich mit Harve Lester und Dottie Harper teilte. Plötzlich fiel mir ein, dass mein Kühlschrank jenem von Sylvie Border sehr ähnlich sah, bis auf den Wein und den Salat. Ich ging die Einkaufsliste durch, die ich auswendig im Kopf hatte. Also, es gab keine Milch, kein Brot, keine Eier, keinen Schinken, kein gar nichts. Etwas zum Essen wäre nicht schlecht, aber die Verlockung war nicht so groß, als dass ich mich dafür noch einmal ins Verkehrsgetümmel gestürzt hätte. Ich meinte, ich würde mich an eine Dose Chili im Küchenschrank erinnern, aber es konnte auch Hundefutter für den schwarzen Mischling sein, der gelegentlich hier vorbeistreunte.
    Mein Briefkasten rückte ins Blickfeld, verrostet und alt und regelrecht verloren neben den übergroßen, nagelneuen Silberkisten von Harve und Dottie, einer davon so groß, dass ein Kleinkind bequem darin Platz gefunden hätte. Ihre silbernen Nummern strahlten im Dunkeln, während die Filzstiftstriche auf meinem kaum mehr leserlich waren. Meine Nachbarn hatten tatsächlich Post bekommen, aber ich fuhr vorbei, ohne anzuhalten. Meine Post nahm Dottie mit und bewahrte sie in einem kleinen Weidenkorb auf ihrer Veranda auf, falls ich je Interesse daran zeigte.
    Mit Harve Lester war ich seit Jahren gut befreundet, und Dottie, obschon ein verhindertes Blumenkind ohne irgendwelche Gemeinsamkeiten mit uns beiden, kümmerte sich dennoch rührend um ihn. Es war die beste Idee, die Harve je gehabt hatte, sie als Pflegerin und Haushälterin zu engagieren.
    Damals in L. A. waren Harve und ich Kollegen, und meine Anstellung bei Charlie hatte ich ihm zu verdanken. Er hatte im Dienst einen Schuss abbekommen und war seitdem von der Hüfte abwärts gelähmt. Eigentlich war er weitgehend selbstständig, aber seit Dottie vor zwei Jahren

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